Das oberste Gebot der Medienpolitik des DFJV ist die unabhängige Berichterstattung und die uneingeschränkte Berufsausübung der Journalistinnen und Journalisten zu festigen und zu stärken, um ihre öffentliche Aufgabe zu wahren.
Demokratie in den Medien bedeutet, dass die in Deutschland und in Europa herrschende Interessenvielfalt auf allen Gebieten in den Medien repräsentiert wird. Dabei ist die Pressefreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte für die Erhaltung der Demokratie. Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG schützt dabei alle mit der Pressearbeit zusammenhängenden Tätigkeiten, somit alle Tätigkeiten unserer Mitglieder. Dadurch wird abgesichert, dass Bürger sich informieren und sich eine eigenständige Meinung bilden können.
Die Privilegien der Journalistinnen und Journalisten gehören zu den zentralen Errungenschaften einer Demokratie. Sie sind zu bewahren und gegenüber Angriffen und Versuchen der Einschränkung zu verteidigen. Die bestehenden Privilegien sind grundsätzlich als Abwehrrechte gegenüber dem Staat ausformuliert, nicht gegenüber anderen Privaten. Alle Rechte, mit Ausnahme des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der inneren und äußeren Sicherheit, sind der Pressefreiheit nachzuordnen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht am eigenen Bild, die Ehre, das eigene gesprochene Wort, die Privat- und Intimsphäre sowie den eigenen Namen und das Recht am Unternehmen. Vermeintliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit dürfen nicht als Vorwand zur Einschränkung der Medienfreiheit durch den Staat herangezogen werden.
Der DFJV betont den hohen Wert des Auskunftsrechts gegenüber dem Staat. Medien haben Auskunftspflichten gegenüber der öffentlichen Hand sowie gegenüber Unternehmen, die mehrheitlich im Eigentum der Öffentlichen Hand stehen. Für Kommunen und Landesbehörden ist dies in den Pressegesetzen der Länder geregelt, gegenüber dem Bund ergibt sich dies direkt aus Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG. Hierbei setzt sich der DFJV für eine Verbesserung der rechtlichen Grundlagen zum Informationszugang bei Behörden ein.
Wir unterstreichen das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalistinnen und Journalisten, demzufolge Informanten in Strafverfahren gem. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO bzw. in Zivilverfahren gem. § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vor Gericht nicht preisgegeben werden müssen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn es sich um Dienstgeheimnisse oder Betriebsgeheimnisse handelt. Auch das Beschlagnahmeverbot für selbstrecherchiertes Material wie Schriftstücke, Datenträger o. Ä. nach § 97 Abs. 5 StPO muss geschützt werden.
Von besonderer Wichtigkeit ist auch die „innere Pressefreiheit“. Journalistinnen und Journalisten dürfen in ihrer redaktionellen Arbeit nicht von unternehmerischen Interessen abhängig sein. Der DFJV begrüßt daher Redaktionsstatuten in Verlagen und Sendern, die diese Unabhängigkeit auf ein solides Fundament stellen und nach diesen Prinzipien arbeiten.
Generell beobachtet der DFJV gesetzliche Neuerungen, die Einfluss auf die Medien- und Pressefreiheit haben, kritisch und genau – so auch das am 2. Juli 2023 in Kraft getretene, neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Das „Whistleblower-Gesetz“ soll Arbeitnehmende vor rechtlichen oder beruflichen Konsequenzen schützen, wenn sie Missstände in Unternehmen oder öffentlichen Stellen aufdecken. Es bleibt jedoch fraglich, ob das neue Gesetz den Schutz von Whistleblowern tatsächlich nachhaltig stärkt und nun vermehrt Missstände gemeldet werden. Der erhoffte Schutz für Whistleblower bleibt trotz langen Wartens auf das Gesetz nämlich deutlich hinter den Erwartungen zurück – im Bereich der anonymen Hinweisgebung, der Wartefristen, bevor Whistleblower an die Öffentlichkeit gehen und sich somit an die Medien wenden dürfen, und des Anwendungsbereiches des Gesetzes (lesen Sie dazu auch den Beitrag von Rechtsanwalt Christian Solmecke in unseren News). Der DFJV fordert im Bereich des Hinweisgeberschutzes eine klar verständliche, transparente Gesetzgebung, welche Informantinnen und Informanten von Medienschaffenden ausreichende und umfassende Sicherheit bietet und somit den Quellenschutz stärkt.
Das Europäische Medienfreiheitsgesetz
Das geplante Europäische Medienfreiheitsgesetz soll laut EU-Kommission freie Medien als Säule der Demokratie und der freien Marktwirtschaft schützen. Diese Ziele des neuen Gesetzes sind zwar löblich – allerdings wird auch starke Kritik in Bezug auf die Umsetzung geäußert. (Lesen Sie dazu in der Folge einen Überblick von Rechtsanwalt Christian Solmecke aus der Kanzlei WBS.LEGAL. Stand: 31.05.2023).
Bereits im Jahr 2021 wurde die Notwendigkeit eines europäischen Gesetzes zum Schutz der Unabhängigkeit der Medien sowie der freien Journalistinnen und Journalisten in der EU betont. Mitauslöser hierfür waren zahlreiche Eingriffe in die Berichterstattung, wie sie beispielsweise in Ungarn, aber auch Polen und Rumänien zuletzt vermehrt beobachtet wurden. Am 16. September 2022 hat die EU-Kommission schließlich einen Vorschlag für ein neues europäisches Medienfreiheitsgesetz, auch European Media Freedom Act (EMFA) genannt, angenommen und der Öffentlichkeit vorgelegt. Noch befindet sich das Vorhaben in Diskussion und Abstimmung. Sollte das Gesetz als Verordnung erlassen werden, würde es in allen EU-Mitgliedstaaten direkt gelten.
Was genau ist geplant?
Zunächst soll die Verordnung vor politischer Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen und Überwachung schützen. Hierzu soll es erleichtert werden, „hochwertige Mediendienste“ bereitzustellen. Öffentlich-rechtliche Medien sollen zum einen mithilfe öffentlicher Finanzierungsprogramme und -initiativen in ihrer Unabhängigkeit gestärkt werden. Zum anderen soll die redaktionelle Unabhängigkeit durch mehr Transparenz über die Eigentumsverhältnisse und die Zuweisung staatlicher Werbeausgaben erreicht werden. Dies soll einerseits mehr Rechtssicherheit, andererseits eine bessere Wettbewerbssituation schaffen. Nur wenn die Empfänger der Mediendienste wissen, wer die Nachrichtenmedien besitzt, sei es ihnen möglich, potenzielle Interessenkonflikte zu erkennen. Dies sei eine Hauptvoraussetzung für die Bildung einer fundierten Meinung und der aktiven Teilhabe an einer Demokratie, so der Gesetzesentwurf. So könne das Risiko einer Einflussnahme auf individuelle redaktionelle Entscheidungen begrenzt werden.
In Art. 4 des Kommissionsentwurfes werden Journalisten und ihre Familienangehörigen vor Inhaftierung, Sanktionierung, Abhören, Überwachung, Durchsuchung und Beschlagnahme oder Untersuchung geschützt, wenn sie ihre Quellen schützen – es sei denn, dies ist durch ein „zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt. Außerdem soll der Einsatz von sogenannten „Staatstrojanern“, also Spionageprogrammen des Staates, verboten werden. Ausnahmen hiervon sollen nur „im Einzelfall aus Gründen der nationalen Sicherheit“ sowie in Ermittlungen bei schweren Straftaten möglich sein.
Durch die Einführung eines neuen unabhängigen Europäischen Gremiums für Mediendienste, einem „Board for Media Services“, soll schließlich auch das Thema Medienkonzentration angegangen werden. Unter Zusammenarbeit mit der Kommission kann dieses zum Beispiel Leitlinien zu den Faktoren entwickeln, die bei der Bewertung der Auswirkungen von Medienmarktkonzentrationen auf den Medienpluralismus durch die nationalen Regulierungsbehörden zu berücksichtigen sind.
Das Gremium – eine Weiterentwicklung der seit 2014 bestehenden „European Regulators Group for Audiovisual Media Services“ (Erga) – soll aus Vertretern der nationalen Medienregulierungsbehörden zusammengesetzt sein und für die Beratung der EU-Kommission zuständig sein.
Kritik und Gegenwind – auch aus Deutschland
Die Mitgliedsstaaten zogen bei der Entwicklung des Entwurfs jedoch nicht durchweg an einem Strang. Vielmehr wurde bekannt, dass einige Mitgliedsstaaten sogar versuchten, Art. 4 des Entwurfs abzuschwächen – den Schutz vor staatlicher Überwachung von Journalisten und ihre Familienangehörigen. Eine solche Regelung empfanden viele Mitgliedstaaten als Verletzung ihrer Souveränität – die EU mische sich damit in die nationale Strafverfolgung ein. Deutschland argumentierte hingegen in die andere Richtung: Ein Quellenschutz sowie das Redaktionsgeheimnis allgemein könnten in Deutschland nicht gewährleistet werden, solange der Schutz unter den Vorbehalt entgegenstehender öffentlicher Interessen gestellt werde. Könnten Informanten nicht ausreichend geschützt werden, schränke dies die journalistische Freiheit zu besonders kritischen Themen – auch länderübergreifend – zu recherchieren, erheblich ein.
Die deutschen Bundesländer äußerten zudem Bedenken, dass sich die EU durch den EMFA zu sehr in die Belange der Mitgliedsstaaten einmische. Die EU setzt sich aus vielen unterschiedlichen Ländern zusammen, welche jeweils eigene Medienregulierungen vorsehen. Manche Stimmen sehen im neuen Gesetz nun einen kompetenzüberschreitenden Eingriff der Kultur- und Medienhoheit der EU-Staaten.
Empfehlungen werden nun dahingehend geäußert, dass anstelle der geplanten Verordnung eine Richtlinie erlassen werden solle. Richtlinien lassen den Mitgliedsstaaten Gestaltungsspielraum für eine individuelle Umsetzung auf nationaler Ebene. Verordnungen müssen jedoch von allen EU-Mitgliedstaaten in vollem Umfang umgesetzt werden.
Die größte Kritik wurde bisher jedoch an dem neuen Gremium zur Medienaufsicht geübt. Eine solche Zentralisierung der Medienaufsicht auf europäischer Ebene sei nach deutschem Verfassungsrecht unzulässig und nach Unionsrecht unverhältnismäßig. Von Seiten der EU-Kommission wurde in diesem Zusammenhang jedoch versichert, dass sich das Gremium nur in Ausnahmefällen einschalten und die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden explizit verankert werde. Das Grundrecht der Pressefreiheit werde dadurch nicht eingeschränkt. Viele weitere Fragen bleiben jedoch offen.
Lösungsansätze
Der Bundesrat sprach Ende November 2022 eine sogenannte Subsidiaritätsrüge gegenüber der Europäischen Kommission aus. Seit 2007 bietet dieses Instrument den nationalen Parlamentskammern die Möglichkeit, zu Beginn eines EU-Gesetzgebungsverfahrens einzugreifen und Korrekturen zu verlangen, sofern sie der Meinung sind, dass EU-Organe ihre Zuständigkeiten überschreiten. Zu berücksichtigen ist, dass dieses Instrument jedoch nur eine Wirkung zeigt, wenn ein Mindestquorum erreicht wird. Es muss also eine bestimmte Anzahl von nationalen Parlamenten die Rüge aussprechen. Dies war bisher nur selten der Fall, häufig wird die Rüge dann nur „berücksichtigt“, statt konkret „überprüft“ zu werden. Im vorliegenden Fall hatte sich der Bundestag der Rüge nicht angeschlossen. In der Regierungskoalition gab es keine Einigung. Nun fordern die Koalitionsfraktionen Nachverhandlungen zum EU-Vorhaben. Die Bundesregierung solle dabei die vom Bundesrat gerügten Aspekte in die Verhandlungen mit der EU-Kommission vorbringen. In diesem Zusammenhang soll auch geprüft werden, ob die gewünschten Ziele möglicherweise durch eine Richtlinie statt einer Verordnung erreicht werden können.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Gruppe „Audiovisueller Sektor und Medien“ des Rates der EU prüft momentan noch den vorgelegten Gesetzesvorschlag. Bis Juni 2023 ist die Festlegung einer allgemeinen Ausrichtung geplant. Die Einigung auf ein Verhandlungsmandat soll im September oder Oktober 2023 erreicht werden. Die gesetzgebenden Organe („institutionelles Dreieck“: Kommission und Parlament sowie der Ministerrat) beabsichtigen noch vor der bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament im Mai 2024, eine Gesamteinigung über die Verordnung zu erzielen.
Der DFJV fordert, im Zuge der Nachbesserungen den einheitlichen Quellenschutz vermehrt zu stärken. Außerdem muss die Unabhängigkeit und Staatsferne der Medienaufsicht auf nationaler Ebene geschützt werden. Zudem soll die Regulierung der Medien so gestaltet sein, dass die kulturelle Eigenständigkeit der einzelnen Länder berücksichtigt wird.
Insgesamt befürwortet der DFJV eine ausgewogene und effektive Medienregulierung, die sowohl die Unabhängigkeit und Staatsferne der Medienaufsicht sichert, als auch die Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden auf europäischer Ebene unterstützt.
Sichere Recherche bei Privaten
Der Deutsche Fachjournalisten-Verband billigt, dass die Privatsphäre dem Presserecht vorgeht. Einzelne Aspekte sind jedoch noch unzureichend geklärt. So sind Journalisten explizit vom Stalking-Paragraphen § 238 StGB auszunehmen. Hartnäckiges Recherchieren, wozu auch die wiederholte Aufforderung eines Betroffenen zur Stellungnahme gehört, könnte sonst von Gerichten als Stalking interpretiert werden.
Weiterhin sind Journalisten gesetzlich von der Vermutung rechtswidriger Spam-Mails freizustellen, soweit E-Mails aus Gründen der Recherche versendet werden.
Schließlich fordert der Deutsche Fachjournalisten-Verband eine klarere rechtliche Abgrenzung zwischen Privatsphäre und öffentlichem Leben bei Personen aus der Politik. Soweit das Privatleben von Politikerinnen und Politikern ihre öffentliche Aufgabe beeinträchtigt, muss die Berichterstattung zweifelsfrei gestattet sein.