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Das kürzlich in Kraft getretene Whistleblower-Gesetz überzeugt weiterhin nicht

Empfehlungen des Rechtsausschusses nicht umgesetzt.

Seit dem 2. Juli hat endlich auch Deutschland ein „Whistleblower-Gesetz“. Der erste Entwurf des HinSchG war insbesondere von journalistischer Seite heftig kritisiert worden (siehe hierzu auch diese DFJV-News). Im Mittelpunkt der Kritik stand insbesondere die fehlende Möglichkeit, Missstände anonym zu melden. Ob die Bundesregierung mit dem nun in Kraft getretenen Gesetz auf die Kritik reagiert hat, hat Rechtsanwalt Christian Solmecke für den DFJV untersucht.

Am 2. Juli 2023 ist das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft getreten. Es soll Arbeitnehmer vor rechtlichen oder beruflichen Konsequenzen schützen, wenn sie Missstände in Unternehmen oder öffentlichen Stellen aufdecken. Denn oft müssen Whistleblower in der Folge Einschüchterungen, Diskriminierungen oder sogar die Entlassung befürchten. Das Gesetz setzt die längst überfällige Hinweisgeberschutzrichtlinie der Europäischen Union um. Deutschland hätte diese bereits bis Ende 2021 umsetzen müssen, doch die letzte Regierung hatte sich nicht auf einen Entwurf einigen können. Auch ein Veto des Bundesrates Anfang des Jahres führte zu Verzögerungen – und leider auch zu einer Verwässerung des Whistleblower-Schutzes an entscheidenden Stellen. Ein Überblick über Inhalt und Kritik am neuen Gesetz:

Meldestellen

Whistleblowern soll es ermöglicht werden, gewisse Missstände wie z. B. Korruption, Betrug, aber auch Verstöße gegen den Arbeitsschutz oder Mindestlohn zu melden. Dies allerdings nur, wenn sie davon im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erfahren haben.

Nach dem neuen Gesetz müssen Arbeitgeber deshalb interne Meldestellen in ihren Unternehmen einrichten, wenn sie mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen. Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden haben allerdings noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit.

Zudem sollen Whistleblower Hinweise nicht nur intern, sondern auch extern u. a. beim Bundesamt für Justiz (BfJ) melden können. Zu beachten ist jedoch, dass sofern sichergestellt wird, dass der Meldegrund beim Arbeitgeber vernünftig bearbeitet wird und keine Repressalien folgen die interne Meldestelle vor der externen bevorzugt werden „sollte“. Gibt der Hinweisgeber einen Hinweis ab, muss die interne Meldestelle ihm dies innerhalb von sieben Tagen bestätigen.

Schutz vor Repressalien

Repressalien des Arbeitgebers wie Abmahnungen, Kündigungen oder sonstige Benachteiligungen des Whistleblowers sind gesetzlich verboten und gelten als unwirksam. Sie können zu Schadensersatzansprüchen führen, außerdem sind sie bußgeldbewährt. Dies gilt zum einen bei wahren Meldungen, aber zum anderen auch, wenn sie eine Meldung im guten Glauben an ihre Richtigkeit abgeben.

Zum Schutz der Whistleblower vor Repressalien enthält das Gesetz außerdem eine Beweislastumkehr. Sofern der Whistleblower sich gegen eine Benachteiligung wehrt und dabei geltend macht, diese infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben,  wird das Vorliegen einer Repressalie vermutet. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass sein Vorgehen in keiner Weise mit der erfolgten Meldung in Verbindung stand.

Was hat sich seit dem ersten Entwurf verändert?

Bereits der erste Gesetzesentwurf, über den die Regierung im September 2022 erstmals beraten hatte, erntete von vielen Seiten Kritik – hat sich seitdem etwas verbessert? Kurz gefasst: Trotz des langen Wartens auf das Gesetz bleibt der erhoffte Schutz für Whistleblower deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dabei erschien der Beschluss des Rechtsausschusses zur Verbesserung der Sicherheit für Hinweisgeber vielversprechend. Ein Überblick über die Änderungen seit September 2022:

Abgabe anonymer Hinweise wird erschwert

Zentraler Kritikpunkt am Gesetzentwurf war, dass den Hinweisgebern nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, Missstände anonym zu melden. Denn das Fehlen dieser Möglichkeit hält viele Hinweisgeber aus Angst vor Kündigung oder öffentlichen Anfeindungen davon ab, auf Fehlverhalten aufmerksam zu machen.

Nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag wurde auch der Rechtsausschuss mit der Ausarbeitung des Gesetzes befasst. Dieser schloss sich der Kritik an und verpflichtete in seinem Entwurf die internen und externen Meldestellen dazu, sich mit anonymen Hinweisen zu befassen. Die Meldestellen sollten außerdem Vorkehrungen treffen, um auch eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen zu ermöglichen. Vorher war vorgesehen, dass eine Bearbeitung anonymer Meldungen nur dann erfolgen solle, wenn dadurch die vorrangige Bearbeitung nicht anonymer Hinweise nicht gefährdet werde.

Nach dem nun in Kraft getretenen HinSchG besteht nun jedoch lediglich eine unkonkrete Empfehlung, anonym eingehende Meldungen zu bearbeiten. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht ebenso wenig wie dazu, anonyme Meldewege auch einzurichten. Den Whistleblowern wird es daher voraussichtlich kaum möglich sein, Hinweise anonym abzugeben. Es ist auch zu erwarten, dass die meisten Unternehmen anonyme Hinweise ignorieren werden.

Dies stößt zu Recht auf Unverständnis, da es den Schutz von Whistleblowern extrem einschränkt. Schließlich wollen viele Hinweisgeber aus Angst vor Repressalien oder rechtlichen Konsequenzen ihre Identität nicht preisgeben. Denn obwohl das Gesetz Repressalien verbietet, wird es sie wohl nicht gänzlich verhindern können.

Zu lange Fristen und zu kleiner Anwendungsbereich

Kritik erfuhr auch die Wartefrist für Whistleblower. Diese mussten dem ersten Gesetzesentwurf zufolge erst drei Monate warten, bis die Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informiert. Erst wenn die Meldung eines Verstoßes an eine externe Meldestelle erfolglos war oder die Hinweisgeber keine geeignete Rückmeldung erhalten haben, durften sie sich an die Öffentlichkeit wenden.

Es wurde befürchtet, dass die Regelung den Unternehmen genügend Zeit böte, wirksame PR-Strategien zu entwickeln, um das Unternehmen in der Öffentlichkeit wieder in ein gutes Licht zu rücken oder Missstände zu vertuschen. Auch dieses Problem hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Vielmehr bleibt die Frist auch im neuen Gesetz unverändert.

Auch der Anwendungsbereich des Gesetzes ist nach wie vor zu eng. So ist moralisch verwerfliches Verhalten nach wie vor nicht vom HinSchG erfasst. Whistleblower dürfen bis auf eine Ausnahme lediglich strafbewehrtes Verhalten und bestimmte Ordnungswidrigkeiten melden.

Gut gedacht, schlecht gemacht

Zwar ist zu begrüßen, dass Whistleblower nach der Neufassung des Gesetzes straffrei bleiben, wenn sie verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten melden und das auch, wenn die Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen. Damit sollen insbesondere Beamte erfasst werden, die der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind.

Negativ fällt jedoch auf, dass die viele guten Vorschläge des Rechtsausschusses im HinSchG keine Berücksichtigung gefunden haben. Dadurch wird Whistleblowern die Meldung und Offenlegung von Missständen und Fehlverhalten jedenfalls weiterhin erschwert. Ob das neue Gesetz den Schutz von Whistleblowern tatsächlich nachhaltig stärkt und nun vermehrt Missstände gemeldet werden, bleibt daher weiter zu beobachten.

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