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Überwachung von Kontaktpersonen rechtswidrig: Bundesverfassungsgericht kippt umstrittene Teile des BKA-Gesetzes.

Über die Bedeutung des Urteils für den Investigativjournalismus.

Eine junge Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird zuweilen als Paukenschlag für die Pressefreiheit gehandelt: Mit Urteil vom 1. Oktober haben die Karlsruher Richterinnen und Richter zwei Vorschriften des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) für verfassungswidrig erklärt. Doch was bedeutet das für investigativ tätige Journalistinnen und Journalisten? Rechtsanwalt Christian Solmecke analysiert die Auswirkungen des Urteils auf Pressefreiheit und Investigativjournalismus.

Die beiden angefochtenen Vorschriften räumen dem Bundeskriminalamt (BKA) gewisse Befugnisse ein, von denen eine die Überwachung von Kontaktpersonen und Informantinnen und Informanten betreffen kann. Die Gesetze seien jedoch als Rechtsgrundlage zu unbestimmt und daher mit den Grundrechten der Betroffenen unvereinbar. Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber (längstens bis zum 31. Juli 2025) gelten die Vorschriften jedoch fort – wenn auch nur in einer durch das BVerfG eingeschränkten Variante.

Neben § 18 Abs. 1 Nr. 2 – der die Speicherung von Beschuldigtendaten in der polizeiübergreifenden Datenbank „INPOL“ betrifft – geht es hierbei vor allem um § 45 BKAG. Dieser erlaubt die Erhebung personenbezogener Daten durch Observation, Abhörung und den Einsatz von Vertrauenspersonen zur Abwehr von internationalem Terrorismus. § 45 Abs. 1 Nr. 4 BKAG sieht vor, dass nicht nur Verdächtige auf diese Weise überwacht werden können, sondern auch Personen, die mit ihnen „nicht nur flüchtig oder zufällig“ in Kontakt stehen (Kontaktpersonen). Das kann somit durchaus auch die Kommunikation zwischen Journalistinnen und Journalisten und Verdächtigen, Informantinnen und Informanten sowie Hinweisgebenden betreffen – je nach Umfang des Kontakts.

Dagegen hatte die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) bereits im Jahr 2019 – zwei Jahre nach der Novellierung des BKAG – Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die GFF ist ein gemeinnütziger Interessenverband, der sich vor allem gerichtlich gegen digitale Überwachung einsetzt. Die Verfassungsbeschwerde wurde im Dezember 2023 mündlich verhandelt. Das Urteil wurde nun im Oktober 2024 verkündet. Eigentlich wäre auch der umstrittene Staatstrojaner Teil des Verfahrens gewesen – dieses Anliegen wurde jedoch auf eine andere Verfassungsbeschwerde zum Artikel-10-Gesetz verschoben.

Überwachung von Kontaktpersonen nach BKAG verletzt Grundrechte

In seiner Begründung stellte das BVerfG zunächst heraus, dass eine Überwachung mit den genannten „besonderen Mitteln“ (Observation, Abhörung, V-Personen) einen besonders starken Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen  – insbesondere in das sog. Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – darstelle. Der Eingriff wiege deshalb so schwer, weil die „besonderen Mittel“ schon ihrer Natur nach auf eine ganzheitliche Überwachung ausgerichtet seien: Es gehe nämlich gerade darum, „möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich sowie akustisch festzuhalten“. Entsprechend hoch seien die gesetzlichen Anforderungen an einen solchen Eingriff.

§ 45 Abs. 1 Nr. 4 BKAG genüge diesen Anforderungen in seiner derzeitigen Fassung gerade nicht. Problematisch seien aus Sicht des BVerfG dabei zwei Dinge: Zum einen sei die geforderte „Nähe“ zwischen Verdächtigem und Kontaktperson nicht eng genug. Um eine Überwachung zu rechtfertigen, müsse laut BVerfG nicht nur eine Nähe zur verdächtigen Person, sondern auch eine zu der von ihr ausgehenden (terroristischen) Gefahr bestehen. Hier differenziere das BKAG nicht hinreichend.

Zweitens wurde beanstandet, dass die Überwachung der Kontaktperson nach derzeitiger Rechtslage zulässig sein kann, ohne dass sie für den Hauptverdächtigen selbst zulässig ist. Für eine Überwachung des Verdächtigen brauche es Anhaltspunkte für eine konkrete Tat einschließlich des Zeitraums und der konkreten Begehungsweise. Für die Überwachung von Kontaktpersonen genügt es dagegen schon, dass der Verdächtige die Tat begehen „will“. Für die Überwachung von Kontaktpersonen müsse es das BKAG laut BVerfG zur Grundvoraussetzung machen, dass der Hauptverdächtige seinerseits überwacht werden darf.

Auswirkungen auf Pressefreiheit und journalistische Arbeit: Überwachungsrisiko zunehmend geringer

Die angegriffene Vorschrift kann durchaus Berührungspunkte mit journalistischer Investigativarbeit haben, allerdings nur in engen Grenzen. Zunächst ist jedoch klarzustellen, dass nicht jeder Informantenkontakt von diesen Regelungen betroffen sein kann, sondern nur solche, die in Verbindung mit internationalem Terrorismus stehen. Das BKAG definiert so bestimmte schwere Straftaten (u. a. Mord, Totschlag, Völkermord, Menschenraub, Zerstörung von Bauwerken, schwere Körperverletzung), die der Einschüchterung der Bevölkerung, der Nötigung von Behörden oder der Beeinträchtigung staatlicher Strukturen dienen. Schwerere Delikte sind nach der deutschen Rechtsordnung kaum denkbar – die Schwelle ist hier also bereits jetzt so hoch wie möglich angesetzt.

Zudem wird auch bei solchen Straftaten nicht jeder Kontakt für eine Überwachung ausreichen, denn das BKAG setzt konkret den Kontakt zu einer Person voraus, die eine der genannten Straftaten „begehen will“ (§ 39 Abs. 2 BKAG). Kommt ein Informant lediglich aus dem Umfeld des Verdächtigen, dürfte ein journalistischer Kontakt nicht ausreichen, um die Journalistin bzw. den Journalisten selbst zu einer „Kontaktperson“ im Sinne des BKAG zu machen. Umso schwieriger wird es, wenn hier nun mit dem BVerfG zusätzlich eine „spezifische Nähe“ gefordert wird.

Eine dritte Einschränkung besteht darin, dass eine Überwachung nach dem BKAG nur dann erlaubt ist, wenn die Verhütung der Straftat auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 BKAG). Selbst wenn alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt wären, müsste der journalistische Kontakt die einzig verbleibende Quelle zur Aufklärung der Tat sein.

Schon nach der bisheriger Rechtslage ist die Überwachung von Journalistinnen und Journalisten an sehr hohe Schwellen gebunden. Da der Gesetzgeber diese Schwellen nun aber insgesamt noch enger fassen muss, wird das Risiko einer Überwachung zunehmend geringer.

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