DFJV fordert Reform des Wettbewerbsrechts.
Mit Blick auf die Ende Juni erfolgte Freigabe durch das Bundeskartellamt äußert der DFJV erhebliche Bedenken hinsichtlich der Übernahme der Südwest-Zeitungen der Medienholding Süd (MHS) von der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) durch die Neue Pressegesellschaft (NPG) in Ulm. Im Zuge dessen wurde zudem vereinbart, dass der eigenständige Unternehmensbereich „Fachinformation“ an den Verbund der Medien Union Ludwigshafen geht. Die mit diesen Umstrukturierungen einhergehende Medienkonzentration gefährdet aus unserer Sicht die publizistische Vielfalt in der Region und schwächt zudem den Wettbewerb im Bereich der Tages- und Fachpresse.
Das Mediengeschäft umfasst unter anderem die „Stuttgarter Zeitung“, die „Stuttgarter Nachrichten“ und deren Lokalausgaben sowie die „Eßlinger Zeitung“, den „Schwarzwälder Boten“ und die „Kreiszeitung Böblinger Bote“. Nach eigenen Angaben erreicht die NPG mit der Integration der Zeitungstitel der MHS künftig „eine verkaufte Auflage von rund 500.000, zusammen mit den Partnerverlagen sogar eine Auflage von rund 700.000 Exemplaren“.
Kartellamt äußerte sich selbst kritisch zur Freigabe
Der Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt äußerte sich selbst kritisch zur Freigabe der Übernahme. Die Übernahme des „Schwarzwälder Boten“ durch die Verlegerin der „Südwest Presse“ bezeichnet er als „wettbewerblich bedenklich“, da beide Titel in Teilen von Baden-Württemberg die einzigen Wettbewerber im Bereich regionaler Tageszeitungen sind. „Dennoch mussten wir den Zusammenschluss freigeben. Die Neue Pressegesellschaft hat vor Freigabe des Zusammenschlusses eine Lokalausgabe der ‚Südwest Presse‘ veräußert“, so Mundt in einer Aussendung weiter. Zudem würden „die verbleibenden problematischen Märkte nicht mehr das nach dem Gesetz für eine Untersagung erforderliche Marktvolumen“ erreichen. Einmal mehr zeige sich, „dass dem Bundeskartellamt beim Erwerb von Zeitungen trotz offensichtlicher Wettbewerbsbedenken nach heutiger Rechtslage oft die Hände gebunden sind.“
Der DFJV fordert eine dringend notwendige Reform des Wettbewerbsrechts, das der Marktkonzentration im Medienbereich besser Rechnung trägt.
Die Tatsache, dass das Bundeskartellamt trotz klar geäußerter wettbewerblicher Bedenken den Zusammenschluss nicht untersagen konnte, zeigt eine eklatante Lücke im geltenden Gesetz auf. Der Schutz der Meinungsvielfalt und die Sicherung journalistischer Unabhängigkeit müssen in einem demokratischen Mediensystem höher gewichtet werden als rein ökonomische Zusammenschlusskriterien.
Konzentrationstendenz – jüngstes Beispiel geplante Sky-Übernahme durch RTL
Die Entwicklungen im Printbereich stehen exemplarisch für die gesamtmediale Konzentrationstendenz, die demokratische Grundwerte wie Pressefreiheit und Meinungsvielfalt unter Druck setzt. Dabei handelt es sich um strukturell eigenständige Märkte mit jeweils spezifischen Herausforderungen. Jüngstes Beispiel aus dem TV-Bereich ist die geplante Übernahme von Sky durch RTL. Hier muss das Kartellamt noch zustimmen. RTL verspricht sich davon „mehr Sport, mehr Unterhaltung, mehr Auswahl“ und würde so zum drittgrößten Streaminganbieter.
Als Interessenvertretung für Journalistinnen und Journalisten nehmen wir zudem die Übernahme des Bereichs der Fachpublikationen durch den Verbund der Medien Union Ludwigshafen mit Aufmerksamkeit und Sorge wahr. Es ist offen, wie sich die angekündigten Veränderungen konkret auf die Arbeitsrealität von Kolleginnen und Kollegen auswirken werden.
In den betroffenen Regionen besteht das Risiko, dass Arbeitsplätze verloren gehen und redaktionelle Strukturen weiter geschwächt werden. Eine nachhaltige Sicherung journalistischer Qualität ist jedoch nur möglich, wenn auch die Arbeitsbedingungen gesichert sind. Wir fordern Transparenz in allen kommenden Entscheidungsprozessen. Der Erhalt von Arbeitsplätzen und publizistischer Qualität muss oberste Priorität haben.
red. / in Zusammenarbeit mit Rechtsanwältin Renate Schmid (WBS.LEGAL)