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Staatstrojaner: Was bedeutet der neue Gesetzentwurf für die Pressefreiheit und andere Grundrechte?

Eine kritische Analyse von Rechtsanwalt Christian Solmecke.

Im Jahr 2017 hat der Bundestag den Einsatz von Staatstrojanern beschlossen. Das Gesetz erlaubt es Ermittlungsbehörden, staatliche Spähsoftware auf den Rechnern und Smartphones Verdächtiger und sogar unbeteiligter Dritter zu platzieren. Dagegen ist derzeit noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Ein neuer Gesetzesentwurf verspricht nun strengere Regeln für den Einsatz der umstrittenen Software – doch reichen diese aus, um die Pressefreiheit und andere Grundrechte zu schützen?  Das hat Rechtsanwalt Christian Solmecke für den DFJV analysiert.

Bereits im November 2006 hatte der Bundestag mit dem ,,Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit‘‘ ein Maßnahmenpaket zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Das Programm war umstritten, weil Mittel für Maßnahmen beantragt wurden, für die es noch keine gesetzliche Grundlage gab, nämlich für den Ausbau der technischen Maßnahme der Online-Durchsuchung. Der Begriff des Staatstrojaners war geboren. Er bezeichnet eine Software, die staatliche Stellen heimlich auf das Handy oder den Laptop von Verdächtigen aufspielen, um Chatverläufe mitzulesen oder auf Dateien zuzugreifen.

Spätestens mit der Einführung von § 100a und § 100b in die Strafprozessordnung (StPO) im Jahr 2017 sind die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation und der Zugriff auch auf gespeicherte Daten Realität geworden. In § 100a StPO ist die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), auch „kleiner Staatstrojaner“ genannt, geregelt, in § 100b StPO die Online-Durchsuchung.

Grundrechts-Schützer liefen dagegen Sturm, eine der mehreren damals eingereichten Verfassungsbeschwerden ist immer noch anhängig. Doch bevor über sie entschieden wird, will Bundesjustizminister Marco Buschmann nun den Zugriff staatlicher Behörden auf Chats einschränken. Der entsprechende Gesetzentwurf steht schon in den Startlöchern. Doch hält er, was er verspricht? Dieser Beitrag gibt einen kritischen Überblick über die neuen Regelungen und untersucht den Gesetzentwurf insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen für Journalistinnen und Journalisten.

Verfassungsbeschwerden eingelegt

Mit den 2017 in Kraft getretenen Regelungen zum Einsatz von Staatstrojanern wollte die Bundesregierung einen Ausgleich schaffen zwischen der digitalen Handlungsfähigkeit des Verfassungsschutzes und dem größtmöglichen Schutz der Privatsphäre des Einzelnen.

Der Bundesverband IT-Sicherheit e.V. (TeleTrusT) hielt diesen Ausgleich jedoch für verfehlt. Daher hat er am 19. April 2018 als erster Verfassungsbeschwerde gegen Einsatz von Staatstrojanern eingelegt. Wenige Monate später folgte die NGO Digital Courage mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz. Nach fünfjähriger Wartezeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde von TeleTrusT allerdings nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 17.04.2023, Az. 176/23). Eine Entscheidung im Fall der NGO Digital Courage steht jedoch noch aus.

Bereits im Jahr 2008 hatte das BVerfG dem Einsatz solcher Software im Bereich der Gefahrenabwehr enge Grenzen gesetzt, als es über eine Regelung im nordrhein-westfälischen Landesverfassungsgesetz zu entscheiden hatte. Mit der Verfassungsbeschwerde von Digital Courage, an der sich unter anderem Rechtsanwälte, Künstlerinnen und Künstler sowie Journalistinnen und Journalisten beteiligten, steht das Gesetz nun erneut auf dem Prüfstand.

Was sieht der neue Gesetzesentwurf vor?

Möglicherweise kommt der Bundesjustizminister Marco Buschmann dem aber zuvor. Denn sein neuer Gesetzesentwurf sieht strengere Vorgaben für den Einsatz von Staatstrojanern vor.

So werden in dem Gesetzesentwurf daher insbesondere die Voraussetzungen für den Einsatz der Quellen-TKÜ neu geregelt. Derzeit erlaubt die Strafprozessordnung den Einsatz von Staatstrojanern noch bei 44 schweren Straftaten. Mit dem neuen Gesetzentwurf will das FDP-geführte Bundesjustizministerium die Voraussetzungen für den Einsatz des Staatstrojaners verschärfen. Die Quellen-TKÜ soll danach nur noch bei besonders schweren Straftaten zum Einsatz kommen, wie es bereits bei der noch eingriffsintensiveren Online-Durchsuchung der Fall ist. Der Staatstrojaner soll demnach nicht mehr bei 44, sondern nur noch bei 33 Straftaten eingesetzt werden dürfen.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass die Quellen-TKÜ auch technisch nur noch laufende Kommunikation erfassen kann und nicht mehr auf bereits abgeschlossene Chats zugreifen darf. Dies war nach alter Rechtslage mit der sogenannten Quellen-TKÜ+ noch möglich.

Die noch eingriffsintensivere Online-Durchsuchung, bei der auch auf alle gespeicherten Inhalte zugegriffen werden darf, soll nach dem neuen Gesetz nur noch als letztes Mittel zulässig sein.

Darüber hinaus soll der Einsatz der Spionagesoftware auch verfahrensrechtlich an höhere Hürden geknüpft werden: So soll künftig nicht mehr nur ein einzelner Richter über den Einsatz von Quellen-TKÜ entscheiden, sondern die Kammer eines Landgerichts, die aus drei hauptamtlichen Richtern und bis zu zwei Schöffen besteht. Zudem soll der Einsatz der Software nicht mehr um drei Monate, sondern nur noch um einen Monat verlängert werden können.

Informantenschutz wird ausgehebelt

Bedenken gegen den Einsatz der Quellen-TKÜ generell wurden insbesondere aus Journalistenkreisen geäußert. So wird darin auch eine Gefährdung der Pressefreiheit gesehen. Pressefreiheit meint die Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen.

Das Grundrecht der Pressefreiheit umfasst daher unter anderem die Vertraulichkeit der redaktionellen Arbeit, die wiederum den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis einschließt. Das Redaktionsgeheimnis umfasst neben der Identität der Redakteurinnen und Redakteure auch deren Kommunikation. Die Presse agiert unabhängig, weshalb es staatlichen Stellen auch grundsätzlich untersagt ist, Einblick in die Pressearbeit zu nehmen.

Die Bundesregierung hat zwar stets betont, dass sich der Schutz von Journalistinnen und Journalisten durch die Einführung der Quellen-TKÜ 2017 nicht geändert habe. Der besondere Schutz des Redaktionsgeheimnisses sei weiterhin durch § 3b II Gesetz zur Beschränkung des Brief-,Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) gewährleistet, heißt es auf der Informationsseite des Bundestages. Danach ist bei einer Telekommunikationsüberwachung, die eine Journalistin bzw. einen Journalisten betrifft, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, wenn dadurch voraussichtlich Erkenntnisse erlangt werden, über die diese das Zeugnis verweigern dürften. Dabei ist das öffentliche Interesse an den von dieser Person wahrgenommenen Aufgaben gegen das Interesse an der Geheimhaltung der einer Journalistin bzw. einem Journalisten anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen abzuwägen. Gegebenenfalls ist die Maßnahme zu unterlassen oder einzuschränken.

Faktisch aber wurde der Informantenschutz von Journalistinnen und Journalisten durch den Einsatz der Quellen-TKÜ weiter ausgehöhlt. Denn jede Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten, die heute per Smartphone oder E-Mail stattfindet, und sogar gespeicherte Rechercheinformationen, können so von staatlichen Stellen überwacht werden. Sachverhalte, bei denen sich Journalistinnen und Journalisten auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, können so bereits im Vorfeld ausgespäht werden. Dies kann insbesondere bei investigativer Arbeit im Zusammenhang mit der Aufdeckung strafrechtlicher Vorwürfe relevant werden. Die bloße Prüfung, ob eine Überwachungsmaßnahme gegebenenfalls zu unterlassen ist, bietet nicht den gleichen Schutz.

Wie man es besser macht

Auch wenn der Gesetzentwurf die Regelungen zur Quellen-TKÜ verschärft, bleiben Zweifel, ob er hält, was er verspricht. Denn den Behörden bleibt die Möglichkeit, Spionagesoftware einzusetzen, und technisch wird es kaum möglich sein, den Zugriff auf laufende Kommunikation von dem auf gespeicherte Daten zu trennen.

Um insbesondere das Grundrecht jedes Einzelnen auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nicht zu verletzen, müssen für staatliche Stellen klarere und maßvollere Regeln gelten. So kann es nicht sein, dass deutsche Behörden IT-Sicherheitslücken ausnutzen, die gleichzeitig anderen Staaten und Kriminellen offen stehen. Stattdessen sollte es eine klare Regelung geben, die staatliche Stellen dazu verpflichtet, IT-Sicherheitslücken zu melden, um – wie bereits im Koalitionsvertrag gefordert – eine schnellstmögliche Schließung dieser Lücken zu gewährleisten.

Fragwürdig ist auch der Einsatz von Staatstrojanern nur gegen schwere Straftaten. Denn neben Terrorismus und Mord umfasst der neue Gesetzesentwurf weiterhin Delikte wie Computerbetrug und Drogenhandel. Auch die Statistiken zeigen, dass die Trojaner vor allem zur Verfolgung von Drogendealern eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken sollte der Gesetzesentwurf daher den Einsatz explizit nur zur Bekämpfung wirklich schwerer Straftaten erlauben und darauf abzielen, IT-Sicherheitslücken zu schließen, anstatt Kriminellen Tür und Tor geöffnet zu lassen.

Zudem sollte es Sonderregelungen insbesondere für Journalistinnen und Journalisten geben, um deren spezifisches Zeugnisverweigerungsrecht bei investigativer Recherche nicht durch die Hintertür wieder auszuhebeln.

Der neue Gesetzesentwurf erscheint daher eher als fauler Kompromiss, der das eigentliche Problem der Staatstrojaner nicht angeht. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung die Gesetzesvorlage beschließen wird und der Entwurf dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird. Möglicherweise wird das BVerfG dem Gesetzgeber noch zuvor im Hinblick auf die Verfassungsbeschwerde von Digital Courage neue Maßstäbe an die Hand geben.

(Anm. der Red.: Der Gesetzentwurf wurde am 27.7.2023 auf netzpolitik.org veröffentlicht.)

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