Ob neue berufliche Anforderungen, eine prekäre Arbeitssituation durch Personaleinsparungen in einigen Medienhäusern oder der Vertrauensverlust in die Berichterstattung durch die Bevölkerung: Der Medienwandel bringt vielfältige Herausforderungen für Journalistinnen und Journalisten mit sich. Aber wie erleben diese die Transformation des Mediensystems – als berufliche Profis sowie als die dahinterstehenden Menschen? Dieser zentralen Fragestellung ist eine aktuelle interdisziplinäre Studie der Otto Brenner Stiftung in zwei Teilen nachgegangen. Dazu wurden zuerst 20 hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten anhand von leitfadengestützten Interviews sowie vertiefend in einem narrativen Teil befragt; 161 Medienschaffende nahmen danach an einer auf Basis dieser Ergebnisse erstellten Online-Befragung teil.
Die Studie zeigt auf, dass sich der große Druck, dem sich Medienschaffende ohnehin in ihrem Beruf ausgesetzt sehen, durch die hinzugekommenen Herausforderungen weiter erhöht hat: 60,2 Prozent der Befragten stimmen eher zu, dass die Einsparungen aufgrund der ökonomischen Krise ihre persönliche Arbeitssituation verschlechtert hätten. Viele leiden unter noch größerem Stress und haben Zukunftssorgen: Insgesamt haben bereits rund 60 Prozent zumindest einige Male im Jahr den Gedanken gehabt, den Beruf aufzugeben – rund 10 Prozent der Befragten sogar einige Male pro Woche. Besonders die Jüngeren denken laut Studienautoren öfter daran, den Job zu verlassen.
Des Weiteren zeigen die Ergebnisse, dass für viele Medienschaffende mit der Arbeitsverdichtung und -belastung sowie dem Zeit-, Leistungs- und Wettbewerbsdruck, der durch die Digitalisierung sowie vor allem durch die ökonomische Krise gestiegen ist, ein Qualitätsverlust im Journalismus einhergeht. Aus dem Pool der Online-Befragten meinten 27 Prozent, dass ihren Arbeitgeberinnen und -gebern Geschwindigkeit wichtiger sei als Qualität; beziehungsweise würden diese ökonomische vor publizistische Ziele (38 Prozent) stellen.
Einige hielten zudem die Publikumskritik, dass der Journalismus zu einseitig oder unkritisch berichte, für bedingt richtig – mehr als die Hälfte der anhand qualitativer Interviews Befragten stellte damit eine Mitverantwortung der Medien an der Vertrauenskrise fest. Im quantitativen Studienteil sahen hingegen nur 26 Prozent die Vorwürfe der einseitigen und 31 Prozent jene der unkritischen Berichterstattung als richtig an. Ein großer Teil der Befragten insgesamt gab an, dass der Journalismus im Zusammenhang mit dem digitalen und gesellschaftlichen Wandel nicht nur an Qualität (rund 48 Prozent), sondern auch an Bedeutung (50 Prozent), Renommee (84 Prozent) und Attraktivität (66 Prozent) verloren habe.
Besonders dramatisch mutet an, dass die Studienautoren deutliche Hinweise auf psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz feststellen konnten. Dafür wurden standardisierte und validierte psychometrische Messinstrumente eingesetzt. Aus den Erhebungen ließ sich ein statistisch erhöhtes Gesundheitsrisiko für körperliche und psychische Folgeerkrankungen wie Burn-out ableiten.
Die Studienmacher betonen daher, dass es notwendig sei, das Thema mentale Gesundheit in der Berufsgruppe der Journalistinnen und Journalisten mehr in den Fokus der Öffentlichkeit sowie der Arbeitgeber zu rücken. Der DFJV befürwortet die Handlungsempfehlung der Autoren, dass Medienunternehmen ein zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement anbieten sollten, das die Gesundheit der Journalistinnen und Journalisten – etwa durch Coachings oder Supervisionen – nachhaltig schützt und welches darauf ausgerichtet ist, deren Arbeitsbedingungen den Herausforderungen des Medienwandels anzupassen.