Die Frage, wann über einen Verdacht berichtet werden darf, beschäftigt immer wieder die Gerichte. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Urteilen vom 11.12.2012 (Az. VI ZR 314/10 und VI ZR 315/10) erneut die Pressefreiheit gestärkt und zur Klärung der Frage beigetragen, wann eine Berichterstattung erlaubt ist und wann nicht.
Vorangegangen waren in beiden Fällen jeweils eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg und eine bestätigende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg. Darin war eine Berichterstattung über eine angebliche IM-Tätigkeit des Verdächtigten für die Stasi verboten worden, obwohl eine Stellungnahme der Stasi-Unterlagen-Behörde vorlag, in der es hieß, den Stasi-Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Verdächtigte als IM Christoph für die Stasi tätig gewesen sei. Der BGH hob diese Entscheidungen auf.
Damit hat der BGH die bestehende Rechtsprechung bekräftigt, dass bei berechtigtem öffentlichen Interesse berichtet werden darf, wenn die journalistische Sorgfalt eingehalten wird. Die Vorinstanzen hatten das berechtigte öffentliche Interesse verneint, allerdings zu unrecht. Zur publizistischen Sorgfaltspflicht stellte der BGH klar, dass einer offiziellen Stellungnahme einer offiziellen Stelle vertraut werden dürfe.
Wann besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse?
Ob ein berichtigtes öffentliches Interesse besteht, ergibt sich aus einer Abwägung der entgegenstehenden Interessen – hier: dem öffentlichen Informationsinteresse einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Verdächtigen andererseits. Je öffentlicher eine Person ist (hier: Universitätsprofessor und Fraktionsvorsitzender der PDS), desto mehr muss sie hinnehmen, zumal wenn es um öffentlich relevante Themen (hier: vormalige Stasi-Tätigkeit von Politikerm / im öffentlichen Dienst Tätigen) geht.
Die Abwägung der Interessen ist oft nicht ganz einfach und immer eine Einzelfallentscheidung. Mitgliedern des DFJV hilft hier die DFJV-Rechtsberatung.
Darf man einer offiziellen Stellungnahme einer offiziellen Stelle also immer vertrauen?
Nein. Der BGH spricht in seiner Pressemitteilung von „gesteigertem Vertrauen“. Vertrauen darf man nicht mehr, wenn die Stellungnahme Inhalte enthält, die erkennen lassen, dass sie fehlerhaft ist – z. B. wenn erkennbar unwahre oder widersprüchliche Inhalte enthalten sind.
Was sollte man noch beachten?
In aller Regel sollten Sie dem Verdächtigen vorher Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Natürlich muss der Verdacht auch wahrheitsgetreu, also einschließlich etwaiger entlastender Umstände wiedergegeben werden.