Filmkritik zu „Good News“: Ein Fallschirmreporter auf moralischen Abwegen

Das intensive Drama Good News um einen zur Lüge greifenden Auslandsreporter mag an den Relotius-Skandal erinnern, verweist aber auf einen größeren Komplex um seriöse Auslandsberichterstattung.
Er ist ganz nah dran: Ein Name noch und er käme endlich zum Kern der Recherche, die ihn seit Wochen, vielleicht sogar seit Monaten in Thailand festhält. Doch der Mann, mit dem der deutsche Journalist Leo (Ilja Stahl) mithilfe eines Übersetzers spricht, will nicht damit rausrücken, wer ihn einst für die in der südlichen Region Pattani kämpfende Rebellengruppe rekrutieren wollte. „Ich glaube, er vertraut Dir nicht“, erklärt der Übersetzer dem verdutzten Leo.
Leos Frustration spiegelt sich in seinem Gesicht und in seiner Körperhaltung auf dem Weg zurück ins Hotel wider, dessen Rechnung er nicht mehr bezahlen kann. Dennoch wird Leo dem Ressort-Chef in Deutschland kurz darauf am Telefon versichern, dass es „ziemlich geil“ laufe, er Kontakt zu den Rebellen habe und nur einen Vorschuss für seine Reportage brauche. Vielleicht war das Misstrauen des Gesprächspartners angebracht?
Aufbruch für den Durchbruch
Schon die ersten Szenen von Good News, dem Spielfilmdebüt des deutschen Regisseurs Hannes Schilling, versetzen einen auf konzentrierte und lebensnahe Weise in eine angespannte Situation, deren Auflösung man etwas furchtsam entgegenblickt. Dabei setzt dieses in Schwarz-Weiß-Tönen belassene Drama auf Subtilität, lässt die Betrachtenden vieles selbst zusammenfügen, statt es direkt auszusprechen und zu erläutern. So gelangt man schrittweise zum Kern von Leos Motivation für diesen ausgedehnten Recherche-Aufenthalt in Thailand, der ihn in eine nicht mehr zu leugnende Sackgasse geführt hat. Als er mit seiner Freundin telefoniert, die seiner langen Abwesenheit überdrüssig geworden ist und auf die gemeinsame kleine Tochter verweist, spricht Leo, als stünde seine gesamte journalistische Existenz auf dem Spiel: „Es ist vielleicht die einzige Chance, die ich jemals hatte oder jemals haben werde, um irgendwie journalistisch auf irgendeine Weise noch mal Erfolg zu haben.“

Der deutsche Journalist Leo (Ilja Stahl) erhofft sich den beruflichen Durchbruch, indem er in Thailand über eine Rebellengruppe schreibt. © Falco Seliger.
Eine Besessenheit für das durchaus brisante und relevante Thema seiner Recherche – die Bedrohung von Thailands Frieden durch eine Terrorgruppe, die die Autonomie der Region Pattani anstrebt – wird aus Leos Worten nicht deutlich. Vielmehr scheint ihm die Story angesichts seines schwindenden Reisebudgets und der strapazierten Beziehung zur Last geworden zu sein. Die Reise aber ohne das erhoffte Ergebnis eines Gesprächs mit Mitgliedern der Rebellengruppe abzubrechen, scheint ihm keine Option zu sein. Hartnäckig der „Sunk Cost Fallacy“ folgend glaubt Leo, schon zu viel investiert zu haben, um auf den sensationalistischen Dreh in seiner Reportage verzichten zu können – schließlich geht es ihm um einen Durchbruch. So werden wir schließlich Zeuge, wie Leo nachts einen Text in sein Laptop tippt, der auf der Lüge eines direkten Kontakts zur Rebellengruppe aufbaut.
Ein Fallschirmreporter in eigener Sache
Im Verlauf dieses ersten Akts von Good News kristallisiert sich schon heraus, dass sich Leo relativ unvorbereitet auf die lange Recherchereise begeben hat: Er hat keine vertieften Ortskenntnisse, spricht die in Pattani vorherrschende Sprache Malaiisch nicht und hat kein Gespür für die Sensibilität seines Themas. Für die Menschen vor Ort wirkt er dementsprechend wie ein Ausländer mit eigener Agenda, die ihnen wiederum Probleme bereiten kann – mit den Rebellen oder mit dem Militär.

Ohne fundiertes Orts- und Hintergrundwissen erkennt „Fallschirmreporter“ Leo die Sensibilität seines Themas nicht – und bringt sich und andere in Gefahr. © Falco Seliger.
Zugleich lässt Leo sich durchaus realitätsnah als sogenannter „Fallschirmreporter“ einordnen: ein Journalist, der sich nicht etwa schon seit Jahren auf eine bestimmte Region spezialisiert hat und daraus berichtet, sondern lediglich anlassbezogen ins Ausland entsendet wurde und daher kaum über das für sein Thema notwendige Hintergrundwissen verfügt.
Dieses Phänomen ist eine Begleiterscheinung der Krise in der Auslandsberichterstattung, die sich spätestens seit der Jahrtausendwende immer weiter verschärft. In seiner lesenswerten Studie „Das Verblassen der Welt. Auslandsberichterstattung in der Krise“ (2022) legt der erfahrene Korrespondent Marc Engelhardt dar, dass Auslandsgeschehnisse in den deutschen Medien immer weniger Beachtung finden und ganze Teile der Welt „verblassten“. Dafür führt Engelhardt fünf Gründe an: schrumpfende Redaktionen und Budgets, den Abbau von Auslandsseiten und Sendeplätzen, das darauf erfolgende Ausdünnen von Korrespondenz-Netzwerken sowie die durch autoritäre Regimes wachsenden Barrieren für Auslandsberichterstattung und die weltweite Zunahme von Propaganda.
Vor allem die prekäre Lage von Korrespondent*innen sieht Engelhardt als fatal an, da diese die Reisen zum Ort des Geschehens zeitlich und finanziell nicht mehr stemmen könnten. So würde auch die Aufdeckung von erfundenen Geschichten wie im Fall des ehemaligen Spiegel-Redakteurs Claas Relotius gefährdet: „Gäbe es bei den Korrespondentinnen und Korrespondenten mehr Kapazitäten für Reportagen […], dann wäre die Wahrscheinlichkeit einer gegenseitigen Kontrolle der Autorinnen und Autoren am Ort des Geschehens größer gewesen.“
„Ich helfe Dir und Du hilfst mir.“
An den Fälschungsskandal um Claas Relotius, dem sich in den vergangenen Jahren ein Spielfilm und ein Dokumentarfilm ausführlich gewidmet haben, erinnert die Prämisse von Good News augenblicklich. Doch der von Hannes Schilling und Ghiath Al Mhitawi erdachte Plot lehnt sich nicht an diese wahren Geschehnisse an, sondern dringt mit der Erforschung von Leos Karrierismus und den daraus resultierenden Gefahren noch tiefer in die Materie um einen alles riskierenden Journalisten ein. Nachdem Leo nämlich seinen Text versendet hat, taucht der von der Redaktion beauftragte Fotograf Julian (Dennis Scheuermann) vor seinem Hotel auf. Offen und freundlich scheint Julian zunächst, doch sein Auftrag ist klar: Er soll Fotos von den Rebellen machen, mit denen Leo gesprochen haben will. Abwimmeln lässt sich der forsch auftretende Fotograf nicht, denn schließlich ist Leo, so erfahren wir von Julian, ein mit Lob und Journalistenpreisen überhäufter Reporter, von dessen Erfolg er auch profitieren will.

Ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen bedrängt Leo einen vor Ort gewonnenen Freund (Sabree Matming), ihm bei der Suche nach den Rebellen zu helfen. © Falco Seliger.
Da Leo seinen Text keineswegs zurückziehen will, setzt er im weiteren Verlauf alles daran, doch noch zur Rebellengruppe zu gelangen. Er hört nicht hin, als ein weiterer Gesprächspartner ihn auf die Gefahren und seine Privilegien aufmerksam macht. Stattdessen bedrängt Leo den freundlichen Familienvater Mawar (Sabree Matming), mit dem er sich während seines Aufenthalts in Pattani angefreundet hat. „Ich helfe Dir und Du hilfst mir“, gelobt Leo und gaukelt Mawar eine mögliche Zukunft in Deutschland vor. Zu guter Letzt behauptet Leo in einer vor „White Saviorism“ strotzenden Rede, doch nur helfen zu wollen: „Ich glaube, dass ich was verändern kann. Wenn ich mit diesen Leuten spreche, dann überdenken sie vielleicht, was sie da machen.“
Kein Raum zum Scheitern?
In solchen Momenten rückt Good News seinen Protagonisten in die Nähe des von Kirk Douglas gespielten Journalisten in Billy Wilders düsterem Pressefilm Reporter des Satans: Leo ist bereit, für seinen vermuteten Aufstieg andere die Rechnung zahlen zu lassen. Damit legt er nicht nur jegliches journalistische Ethos ab, sondern auch grundsätzliche Moralvorstellungen. Dieses Verhalten ist verabscheuungswürdig, doch scheint hier die gegenwärtige Realität unangenehm durch: Berichterstatter stehen zunehmend unter finanziellem und zeitlichem Druck und müssen um ihre Existenz bangen. Die Geschehnisse im Film lassen so einen geweiteten Blick auf die derzeitige Situation zu.
Für Auslandsberichterstatter Juan Moreno, der die Aufdeckung von Claas Relotius‘ Fälschungen 2018 entschieden vorantrieb, ist klar: Das Scheitern gehört zum journalistischen Beruf grundsätzlich dazu. In seinem 2019 erschienenen Buch „Tausend Zeilen Lüge“ schreibt er: „Es ist fest eingeplant, unvermeidbar. Eine Recherche läuft immer anders, als man es gerne hätte.“ Beim Betrachten von Good News stellt sich die Frage, ob der Raum für dieses Scheitern angesichts prekärer werdender Arbeitsbedingungen zunehmend schwindet und ob der entgrenzte Karrierismus eines Leo auch davon genährt wird.
Doch ungeachtet der Antwort: Ein Verrat an journalistischen Prinzipien darf niemals die Folge solcher Zustände sein. Und dieser kann schwerwiegendere Konsequenzen mit sich bringen als den Vertrauens- und Jobverlust, wie dieses hochaktuelle, intensive Drama einprägsam vermittelt.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)
Good News
Deutschland 2024. 75 Min.
Regie: Hannes Schilling. Drehbuch: Ghiath Al Mhitawi, Hannes Schilling
Kamera: Falco Seliger
Besetzung: Ilja Stahl, Sabree Matming, Dennis Scheuermann
Deutscher Kinostart: 22.05.2025
Die Autorin Dobrila Kontić hat Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK) studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Film- und Serienkritikerin in Berlin.