Reuters-Bericht zeigt Trends und Prognosen für 2023.
Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung vieler Menschen in der aktuellen Krisenzeit und die rasante Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zählen zu den großen Herausforderungen, denen sich die Medienwelt 2023 stellen muss. Dies prognostiziert ein jährlich erscheinender Bericht des Reuters Institute for the Study of Journalism, der sich mit Medientrends und -prognosen befasst und fragt: Wie blicken Medienschaffende in Führungspositionen weltweit auf das Jahr 2023?
Laut den Ergebnissen der Befragung bereitet es vielen (72 Prozent) der weltweit tätigen Führungskräften aus der Medienwelt Kopfzerbrechen, dass Nachrichten – angesichts der aktuell bedrückenden Themen wie Krieg und Klimawandel – zunehmend vermieden werden. Diesem Negativtrend wollen die Medienhäuser mit Erklärinhalten (94 Prozent), Frage-und-Antwort-Formaten (87 Prozent) und inspirierenden Geschichten (66 Prozent) entgegenwirken; auch die Produktion positiverer Nachrichten erachten zumindest 48 Prozent als wichtig.
Insgesamt zeigen sich mit rund 44 Prozent weniger als die Hälfte der führenden Medienmacherinnen und Medienmacher in Bezug auf ihre Geschäftsaussichten zuversichtlich – und damit wesentlich weniger als noch im letzten Jahr. Zu den Sorgen in den Medienunternehmen zählen die steigenden Kosten und ein verringertes Interesse von Werbetreibenden und Abonnierenden an den angebotenen Produkten. Abonnements und Mitgliedschaften gehören für 80 Prozent der Befragten zu ihren wichtigsten Umsatzprioritäten.
Im Bereich der Innovationen fokussiert die Branche weiterhin darauf, Ressourcen in Podcasts und digitales Audio (72 Prozent) sowie E-Mail-Newsletter (69 Prozent) zu investieren – und damit auf Kanäle und Formate, die sich in der Bindung von Kundinnen und Kunden an neue Marken bewährt haben. Mehr noch als im Vorjahr (plus 4 Prozentpunkte) soll in digitale Videoformate (67 Prozent) investiert werden. Dies sei möglicherweise auf das explosive Wachstum von TikTok zurückzuführen. Im Gegensatz dazu gaben nur 5 Prozent an, dass sie in Anwendungen für das Metaversum investieren werden, was eine zunehmende Skepsis gegenüber seinem Potenzial für den Journalismus widerspiegle, wie hier argumentiert wird. In Bezug auf ihr Social-Media-Engagement wollen die meisten Führungskräfte auf TikTok, Instagram und YouTube fokussieren und damit auf Kanäle, die bei jüngeren Personen beliebt sind, während das Interesse für Facebook und Twitter deutlich abflaute.
In der Medienwelt „angekommen“ scheint hingegen Künstliche Intelligenz (KI) zu sein: So hätten viele News-Unternehmen diese bereits ohne großes Aufsehen in ihre Produkte integriert, um personalisierte Erlebnisse zu bieten. Fast drei von zehn (28 Prozent) gaben an, KI sei mittlerweile ein Bestandteil ihrer Aktivitäten, und weitere 39 Prozent meinten, sie hätten bereits mit dieser experimentiert. KI biete Verlagen viele Möglichkeiten – etwa um mit der Informationsüberflutung umzugehen. Die neuen Technologien bringen aber auch existenzielle und ethische Fragestellungen mit sich, z. B. im Bereich der synthetischen Medien durch Deep Fakes. Vor diesem Hintergrund hätten Nachrichtenorganisationen, die sich der Digitalisierung noch nicht vollständig geöffnet haben, laut Prognose erhebliche Nachteile. Die nächsten Jahre wären jedoch nicht davon bestimmt, wie schnell unsere digitale Anpassung ist, sondern wie wir unseren digitalen Content transformieren, um den sich rasant ändernden Publikumserwartungen gerecht zu werden.
Viele Nachrichtenunternehmen überlegen zudem, auf die immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels mit einer verbesserten Berichterstattung zu reagieren. Rund die Hälfte (49 Prozent) gibt dazu an, ein spezielles Klima-Team gebildet zu haben; ein Drittel stellt mehr Personal ein (31 Prozent). Knapp die Hälfte (44 Prozent) gibt an, Dimensionen der Klimadebatte auch in andere Berichterstattung (z. B. Wirtschaft und Sport) zu integrieren, und drei von zehn (30 Prozent) haben eine Klimaschutzstrategie für ihr Unternehmen entwickelt.
Der Bericht „Journalism, Media, and Technology Trends and Predictions 2023“ wurde von Studienautor Nic Newman verfasst. Er basiert auf der Befragung von 303 Führungskräften aus der Medienbranche in 53 Ländern und untersucht jährlich die neuesten Entwicklungen und Prioritäten im Journalismus.