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Zutaten für einen gelungenen Text: Talent und solides Handwerk

14.09.2016 Evelyn Sternad
Zutaten für einen gelungenen Text: Talent und solides HandwerkGewinnertext des gemeinsamen Schreibwettbewerbs von DFJV und neobooks zur Frage "Ist Schreiben ein Handwerk oder eine Begabung?"


Gewinnertext des gemeinsamen Schreibwettbewerbs von DFJV und neobooks zur Frage "Ist Schreiben ein Handwerk oder eine Begabung?"

Gestern wurde es telefonisch angekündigt, heute liegt es auf meinem Schreibtisch: ein Manuskript von 185 Seiten, jede davon beschrieben in Arial, 11 Punkt. Die Autorin ist vom Fach, brennt für ihr Thema – und das offenbar so sehr, dass sie viele Stunden ihrer Freizeit für das Schreiben dieser Seiten drangab. Weshalb liegen sie auf meinem Tisch? Ganz einfach: Ich bin Lektorin und Redakteurin, manchmal auch Texterin und Autorin. In erster Linie beschäftige ich mich mit Texten anderer und verdiene damit meinen Lebensunterhalt.

Ich berichte also aus einer Zentrale des Textgeschäfts. Nicht aus DER Zentrale (die gibt es nicht!), sondern aus einer der vielen kleinen Zentralen in Deutschland, die existieren, weil sich immer weniger Verlage ein eigenes Lektorat leisten. Als angestellte Verlagslektorin wäre ich „Gatekeeperin“. Eine, die an der Verlagsschleuse sitzt und das Tor nur dann öffnet, wenn im Schleusenbecken ein dicker Fisch schwimmt. Einer, den ich aus voller Überzeugung für die Programmplanung vorschlagen kann.

Handwerk oder Talent oder irgendwie beides?

Als Freiberuflerin habe ich keine „Verlagsschleuse“ zu bewachen. Was es für mich zu bewachen gilt, sind meine Arbeitszeit und die Kriterien für gute Sprache und ordentlich geschriebene Texte. Im Laufe meines Berufslebens bin ich vielen „Text-Tätigen“ begegnet. Habe mich durch aufgeblähte Manuskripte gelesen, die später von 150 auf 70 Seiten eingedampft wurden, und war beeindruckt vom Sprachsinn eines Fachmanns für Steuerrecht. Ich habe beide gesehen, begabte Schreiber, die es ohne Schreibworkshop schaffen, ihre Gedanken elegant zu Papier zu bringen, und weniger Begabte, die erst seit einem Coaching gute Texte verfassen. Es gibt im Schreibbetrieb beide, Begabte und Handwerker. Beide schreiben, veröffentlichen und werden gelesen.

Doch zurück zur Eingangsfrage: Ist Schreiben ein Handwerk oder eine Begabung? Ich habe eine vage und leider ziemlich langweilige Antwort: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Selfpublisher umschiffen die Verlagsschleuse

Im Augenblick wird viel geschrieben. Das Selfpublishing hat eine wahre Textlawine losgetreten. Man schreibt und veröffentlicht auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung. Schreiben – Hochladen – Raushauen. Selfpublisher umschiffen die etablierten Verlagsschleusen und landen auch ohne Unterstützung im großen Strom des VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher). Dort angekommen, strecken sie dem Schleusenwärter frech die Zunge heraus. Und das oft zu Recht, denn viele haben Erfolg mit ihren selbst publizierten Büchern, obwohl sie vorher von zahlreichen Verlagen abgewiesen wurden. Es gibt Selfpublishing-Millionäre (zumindest hinsichtlich der Anzahl der verkauften Bücher) und Selfpublishing-Autoren, die Bestsellerlisten anführen.

Jeder kann Seiten mit Text füllen, das Ganze in eine passable Form bringen und auf ein Online-Portal hochladen. Allerdings genügt das nicht. Wer gelesen werden will, muss mehr mitbringen. Und deshalb bin ich der Meinung: Schreiben ist Begabung UND Handwerk. Es braucht beides, zumindest dann, wenn man nicht nur schreiben möchte, sondern ernsthaft auf der Suche nach Lesern ist.

Begabte ohne Handwerkszeug oder …

Eine gute Nachricht für die Begabten, die Fantasie mitbringen, die Lust am Fabulieren haben und ein gutes Gespür für den Augenblick; die glaubhafte Charaktere entwickeln und Geschichten spinnen – bei denen es aber am guten Sprachgebrauch mangelt: Gutes Deutsch kann man definieren und lernen. Das wissen wir spätestens seit Wolf Schneider; die 3-Sekunden-Regel des Journalisten, Autors und Sprachkritikers und seine Warnung vor Adjektiven mögen in erster Linie für Sachtexte gelten. Trotzdem lassen sich einige Prinzipien auf die Belletristik übertragen. Deshalb, liebe Talentierte, steckt die Nase ins Buch (es muss ja nicht unbedingt Schneider sein, es gibt noch viele andere gute Sprachlehrer) und bringt euer sprachliches Können auf Vordermann.

Ein paar Tipps: Gutes Deutsch gelingt, indem man beispielsweise folgenden Sprach-Schurken das Handwerk legt: Adjektive verbannt man in den Keller, anstatt sie aus jeder Satzpore triefen zu lassen; Passivkonstruktionen verdonnert man zum Dreibeinlauf und bringt dafür das Aktiv auf Touren; die Nominalkonstruktion setzt man an der roten Ampel aus und fährt bei Grün ganz schnell davon. Und das Amtsdeutsch lässt man links liegen. Zugeknöpft und übellaunig soll es in der Schublade versauern.

… Handwerker ohne Begabung?

Den guten Sprach-Handwerkern, denen es manchmal an Wortwitz und Fantasie mangelt, sei gesagt: Kreativität kann man lernen, ein Stück weit zumindest. Manchmal muss man sie nur aus ihrem Schlummer wecken. Beliebte Weckmethoden sind: Assoziationsübungen, Brainstorming, viel Zeit und ein Nachmittag im Café mit Stift und Block.

Macht euch also locker, liebe Handwerker. Legt das Konzept vorübergehend beiseite, lasst den Stift über die Seiten streifen, respektive die Finger über die Tastatur, haltet Ausschau nach guten Augenblicken, die das Leben buchstäblich an jeder Ecke bietet, und schreibt ausnahmsweise ganz regelfrei. Aufmöbeln kann man später.

Leser schätzen es, wenn begabte Schreiber die gute Sprachstube nicht links liegen lassen und Handwerker bei aller sprachlichen Korrektheit die Originalität nicht aus dem Blick verlieren. Kurzum: Leser wünschen sich geschmeidige, verständliche Texte, die den Kopf ansprechen und ins Herz treffen, die anrühren, zum Nachdenken anregen, den Blick weiten. Damit das gelingt, müssen Handwerker manchmal den Bauplan gegen den Notizblock tauschen und die Begabten müssen ein bisschen Regeln pauken. Die Mischung macht’s.

Langsam, ganz langsam

Beiden gemeinsam möchte ich nahelegen: Übt euch in Geduld. Vieles lässt sich schnell erledigen, das Schreiben gehört nicht dazu. Wer schreibt, muss eine gewisse Toleranz für langsame Prozesse mitbringen. Gutes Schreiben dauert. Wer den schnellen Kick sucht und auf sofortige Ergebnisse aus ist, dem helfen weder Talent noch Begabung, der suche sich besser ein anderes Hobby, vielleicht Fallschirmspringen. Das Naturell des Schreibers ähnelt dem des Pilzsammlers, der geduldig durch die Wälder streift und den perfekten Pilz sucht. Das dauert – und manchmal bleibt der Erfolg völlig aus. Genauso langwierig kann es sein, den perfekten Ausdruck zu finden, den Sprachtrüffel, der die Geschichte weitertreibt, die Figur glaubwürdig macht und den Leser bei der Stange hält. Wer das nicht glaubt, verschleudert vielleicht seine gute Story.

Einmal Erbsenzählen, bitte!

Zum Schluss ein Hinweis in eigener Sache: Ja, dieser Text wurde lektoriert, von einer erfahrenen Kollegin. Und das aus gutem Grund. Schreibende brauchen sie, die Erbsenzähler des Sprachbetriebs, die Füllwörter und Adjektive aus dem Text jäten und für klare Struktur sorgen. Schreibende sind angewiesen auf den kritischen Blick von außen, die Stimme aus dem Off, die dazwischenruft, wenn es zu floskelhaft wird, wenn die Figuren außer Rand und Band geraten und die Story sich verläuft.

Diese Erkenntnis mag für Schreib-Hochbegabte schmerzlich sein. Wer lässt sich schon gerne ins Talent pfuschen? Doch den Begabten sei ans Herz gelegt: Freut euch über euer Talent, doch vergesst das Handwerkszeug nicht und lasst euch vom Profi über die Schulter schauen.

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

evelynsternadDie Autorin Evelyn Sternad ist seit 2013 freie Redakteurin und Lektorin für Newsletter, Bildungsmedien, Ratgeber und Sachbücher aus den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Steuern und Unterricht. Sie arbeitet sowohl mit Verlagen als auch Agenturen und Selfpublishern zusammen. Vor ihrer Selbstständigkeit war sie für Verlage und Wirtschaftsunternehmen tätig. Außerdem unterrichtete sie als ausgebildete Lehrkraft an verschiedenen bayerischen Schulen. Ihr erstes Buch erschien im März 2016 bei neobooks.

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