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Fakten oder Gefühle? Warum Emotionen im Journalismus unverzichtbar sind

07.05.2025 Kathrin Boehme
Fakten oder Gefühle? Warum Emotionen im Journalismus unverzichtbar sindEin Interview mit der Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin Dr. Margreth Lünenborg.


Ein Interview mit der Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin Dr. Margreth Lünenborg.

Emotionen beeinflussen, wie wir Informationen wahrnehmen – und prägen längst auch den Journalismus. Die Journalismusforscherin Prof. Dr. Margreth Lünenborg betont die Rolle von Emotionen in der Berichterstattung: Im Gespräch erläutert sie, wie emotionale Narrative gesellschaftliche Debatten beeinflussen und was Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit beachten sollten.

Im Journalismus gilt Objektivität als hohes Gut. Haben Emotionen in der Berichterstattung überhaupt Platz? Oder sollten sie nicht eher konsequent vermieden werden?

Das ist eine klassisch nachrichtenjournalistische Haltung: „Emotionen haben nichts im Journalismus verloren – vielleicht noch im Boulevard, aber sonst bitte nicht.“ Lange Zeit war das die normative Position, auch in der Forschung: Journalismus müsse neutral, distanziert und objektiv sein. Doch dieser Blick hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert.

Emotionen gehören längst zum Journalismus, auch bereits historisch gehörten sie dazu. Das beobachten wir in vielen Bereichen, ob im Sport, in den digitalen Medien, in Reportagen. Sie intensivieren die Berichterstattung und schaffen eine Verbindung zum Publikum.

Hat diese Entwicklung mit der wachsenden Bedeutung sozialer Medien zu tun – also Plattformen, die oft sehr emotionalisierte Inhalte verbreiten?

Soziale Medien haben den Prozess sicherlich beschleunigt, aber der Ursprung liegt tiefer. So hat eine Kollegin aus Wales Pulitzer-Preis-gekrönte Beiträge analysiert und dabei festgestellt, dass in den Einstiegen dieser Texte fast immer explizit Emotionen thematisiert werden. Das sind hochprofessionelle, journalistisch ausgezeichnete Stücke – keine Ausreißer aus dem Boulevard-Journalismus. Emotionen werden hier gezielt eingesetzt, um Wirkung zu erzeugen. Vielleicht nicht immer bewusst, aber Emotionen sind ein wichtiger Baustein der Narrationen.

Journalismus war und ist viel mehr als die rein nachrichtliche Berichterstattung.

Das ist also gar kein neues Phänomen, das mit den digitalen Medien entstanden ist, sondern hat eine längere Tradition, die nun verstärkt sichtbar wird. Journalismus war und ist viel mehr als die rein nachrichtliche Berichterstattung.

Gibt es typische Emotionen, die derzeit besonders häufig in der Berichterstattung auftauchen?

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen – von der Klimakrise bis hin zu geopolitischen Unsicherheiten wie dem letzten Börsencrash. Entsprechend dominieren Emotionen wie Angst, Unsicherheit und Unruhe. Aber natürlich gibt es auch eine konstruktive Seite von Emotionen: Empathie, Solidarität, Mitgefühl haben eine riesige Wirkungskraft, etwa bei Katastrophen oder kollektiven Trauerereignissen wie nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Das große Mitgefühl wurde durch die Medien mit erzeugt. Solche Emotionen stärken Gemeinschaften und sind ebenfalls Teil der medialen Vermittlung.

Emotionen haben eine starke Wirkung auf uns, während Fakten meist weniger im Gedächtnis bleiben. Warum reagieren Menschen oft stärker auf emotionale Narrative als auf reine Fakten?

Ich würde Emotionen und Fakten gar nicht als Gegensatz darstellen. Emotionen sind Teil unserer menschlichen Existenz – wir sind soziale Wesen, ständig im Austausch mit anderen, und wollen von unseren Mitmenschen gesehen werden. Diese Interaktionen haben immer auch eine emotionale Grundlage. Sonst wären wir keine menschlichen Wesen, sondern einsame Nomaden.

Emotionen und Fakten gehen Hand in Hand: Beschäftigen wir uns mit dem Börsencrash, erleben wir das gleichzeitig auch als bedrohlich. Emotionen sind dabei auch eine Art, Fakten zu bewerten und verarbeiten: Angst signalisiert etwa Unsicherheit oder Bedrohung. Das hilft uns, Informationen einzuordnen und auf unser Leben zu beziehen.

In diesem Sinn sind Emotionen kein Gegensatz zur Rationalität, sondern eine menschliche Ressource – auch im Journalismus. Zu reinen Print-Zeiten bedeutete die Leser-Blatt-Bindung eben auch eine emotionale Bindung der Lesenden an das Medium. Sie sollen sich zugehörig fühlen und merken, dass ihre Interessen wahrgenommen werden.

Aber bergen Emotionen im Journalismus nicht auch Risiken? Etwa, wenn sie Polarisierung oder Angst verstärken?

Unbedingt. Ein aktuelles Beispiel ist der jüngste Wahlkampf, der so stark vom Thema Migration geprägt war: Migration wurde in politischen Debatten – und auch medial – häufig als Gefahr und Bedrohung für den Sozialstaat dargestellt. Und die Berichterstattung im Wahlkampf wurde weitestgehend auf dieses Thema reduziert und dabei emotional aufgeladen. Selbst als die Zahl der Asylanträge zurückging, blieb das Bedrohungsszenario medial dominant.

Das zeigt, welche negativen Potenziale Emotionen aufweisen können: Emotional geframte Themen können sich verselbstständigen und dann die Berichterstattung dominieren. Und das unabhängig von den Fakten.

Was bedeutet das für die journalistische Praxis? Ist es dann sinnvoll, auf besonders emotionale Techniken zurückzugreifen?

Es ist offensichtlich, dass der Journalismus aktuell um seine eigene Autorität und Deutungshoheit kämpft. Denn er steht im Wettbewerb mit vielen anderen Kommunikationsmodi – insbesondere mit privater und öffentlicher Kommunikation auf digitalen Plattformen. Deren Algorithmen zielen darauf ab, Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Plattform zu halten. Das gelingt mit emotionaler Adressierung besonders erfolgreich.

Mit diesen Angeboten konkurriert der Journalismus um Aufmerksamkeit. Er braucht Strategien, um sich in Zukunft behaupten zu können – ohne simpel zu kopieren, was auf digitalen Plattformen stattfindet. Es kann nicht die Lösung sein, noch mehr Clickbaiting zu betreiben.

Emotionen sind nicht per se falsch, aber sie müssen verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Was sollten Journalistinnen und Journalisten stattdessen beachten?

Wichtig ist, sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein. Der Ansatz ist eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Fragen: „Welche Emotion rufe ich mit dieser Schlagzeile, mit diesem Bild hervor. Ist das angemessen? Oder greife ich unbewusst auf stereotype Darstellungen zurück, die die Komplexität der Realität einseitig reduzieren?“ Es geht darum, über den emotionalen Gehalt journalistischer Entscheidungen bewusst nachzudenken: Welche Wirkung hat das, was ich zeige oder schreibe? Wähle ich diese Darstellung aus inhaltlichen Motiven – oder nur, weil sie sich leichter erzählt? Welche emotionale Beziehung will ich als Medium oder Redaktion zu meinem Publikum aufbauen?

Diese Fragen sollten nicht nur beim Schreiben eines Textes, sondern auch bei Redaktionskonferenzen oder in der Recherche, etwa bei Interviews oder in der Zeugenbefragung, eine Rolle spielen. Emotionen sind nicht per se falsch, aber sie müssen verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Fehlt die Reflexion in der journalistischen Ausbildung?

Aus meiner Sicht ja, absolut. Zwar gibt es in der Ausbildung die Unterscheidung zwischen sachlichen und personenzentrierten Darstellungsformen. Aber eine gezielte Reflexion über Emotionen als zentralen Bestandteil des journalistischen Handelns findet kaum statt.

Dabei wäre das essenziell: Journalistinnen und Journalisten müssen sich als fühlende und damit auch als verletzliche Subjekte verstehen, die emotional berührt werden, wenn sie beispielsweise über Kriege berichten und mit extrem belastendem Bildmaterial umgehen. Diese emotionale Betroffenheit wahrzunehmen und professionell zu verarbeiten, ist Teil ihrer Verantwortung.

Was müsste sich also ändern – in Redaktionen wie auch in der Ausbildung?

Nötig ist eine systematischere Auseinandersetzung mit Emotionalität im Journalismus – so, wie dies in der Forschung in den letzten Jahren geschehen ist. Nicht im Sinn einer Vermeidung von Emotionen, sondern einer reflektierten Einbindung. Journalistinnen und Journalisten sollten lernen, welche emotionale Wirkung ihre Arbeit entfalten kann und wie sie diese Wirkung gezielt und verantwortungsvoll steuern.

Nötig ist eine systematischere Auseinandersetzung mit Emotionalität im Journalismus – so, wie dies in der Forschung in den letzten Jahren geschehen ist.

Denn am Ende geht es um Vertrauen: Eine emotionale Verbindung zum Publikum entsteht nicht trotz, sondern wegen einer glaubwürdigen und relevanten Berichterstattung.

Das Gespräch führte Kathrin Boehme. 

Titelillustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Foto: Tim Gassauer

Dr. Margreth Lünenborg ist seit 2009 Professorin für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Journalistik an der Freien Universität Berlin. Parallel zu ihrer Promotion arbeitete sie als Journalistin für den Sender Freies Berlin und die Wochenzeitung Freitag. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit den Themen Emotionen im Journalismus, Gender und Medien, dem Verhältnis von Migration und Medien sowie der Transformation von Journalismus im digitalen Zeitalter.

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