Internationale Reuters-Umfrage bei Führungskräften in der Medienbranche prognostiziert Trends 2024.
Welche Trends sehen Medienschaffende in Führungspositionen weltweit für ihre Branche im Jahr 2024? Antworten darauf gibt eine jährlich durchgeführte internationale Umfrage des Reuters Institute for the Study of Journalism, für die leitende Redakteurinnen und Redakteure, CEOs und digitale Führungskräfte aus Medienunternehmen zu ihrer Sicht der aktuellen Medientrends befragt werden.
Die Ergebnisse zeigen: Nur knapp die Hälfte (47 Prozent) der weltweit befragten Führungskräfte zeigte sich in Bezug auf die Aussichten für den Journalismus 2024 zuversichtlich, zwölf Prozent nicht zuversichtlich. Die Gründe: Viele befürchten steigende Kosten, sinkende Werbeeinnahmen und ein verlangsamtes Abonnentenwachstum. Zudem werden rechtliche und juristische Schikanen gefürchtet. Zuversichtlich stimmte die Befragten jedoch die Hoffnung, dass hart umkämpfte Wahlen in den USA und anderswo sowohl Nachrichteninteresse als auch -konsum ankurbeln könnten – wenn auch nur vorübergehend und mit der Gefahr eines weiteren Vertrauensverlusts in die Medien.
Rückgang bei Social-Media-Traffic – Konzentration auf eigene Kanäle
Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Befragten sorgten sich über einen starken Rückgang von Besucherzahlen auf Social-Media-Seiten. Als Reaktion will sich die Mehrheit (77 Prozent) auf eigene Direktkanäle konzentrieren und mit alternativen Drittanbietern experimentieren. Konkret sollen WhatsApp und Instagram mehr bespielt werden. Das Interesse an Videonetzwerken wie TikTok und YouTube ist nach wie vor groß; die Stimmung gegenüber Facebook und X/Twitter hat sich weiter verschlechtert. In Bezug auf eigene Kanäle ist geplant, mehr Videos, Newsletter und Podcasts zu erstellen. Der Umfang der erstellten Nachrichtenartikel soll gleich bleiben.
Als Strategien, um der „doppelten Gefahr“ der selektiven Nachrichtenvermeidung und der Nachrichtenmüdigkeit entgegenzuwirken, nannten die Befragten eine bessere Erklärung komplexer Sachverhalte (67 Prozent), lösungsorientiertere oder konstruktivere Ansätze beim Storytelling (44 Prozent) und mehr inspirierende menschliche Geschichten (43 Prozent). Seltener genannt wurden mehr positive (21 Prozent) oder unterhaltsame (18 Prozent) Nachrichten.
Wichtige Einnahmequellen: Abonnements und Mitgliedschaften
Als wichtige Einnahmequellen sehen 80 Prozent der Befragten weiterhin Abonnements und Mitgliedschaften – noch vor Display und Native Advertising. Die meisten Verlage, die ein Bezahlmodell betreiben, berichten trotz der schwierigen wirtschaftlichen Aussichten von leicht steigenden oder zumindest stabilen Abonnementzahlen im vergangenen Jahr.
Skepsis bei Einsatz von KI für die Erstellung von Inhalten
Einige Medienhäuser wollen in diesem Jahr lukrative Lizenzvereinbarungen mit KI-Plattformen abschließen – allerdings besteht wenig Optimismus, dass die Gewinne gerecht verteilt werden: Laut Umfrage glaubt etwa ein Drittel der Befragten, dass der Großteil des Geldes an die großen Medienunternehmen gehen wird. Knapp die Hälfte geht davon aus, dass am Ende des Tages nur sehr wenig Geld für die Verlage insgesamt übrig bleiben wird.
Der Einsatz von KI für die Back-End-Automatisierung von Nachrichten wird von den befragten Verlagen als die wichtigste Nutzung der Technologie angesehen (56 Prozent), gefolgt von besseren Empfehlungen für Nutzerinnen und Nutzer (37 Prozent) und kommerziellen Anwendungsmöglichkeiten (28 Prozent). Dem Einsatz von KI für die Erstellung von Inhalten stehen die Befragten zwiespältig gegenüber: Mehr als die Hälfte sieht dies als größtes Reputationsrisiko für ihr Unternehmen an.
Welche weiteren Entwicklungen sind 2024 laut Studie möglich?
Aufbauend auf der Vorjahresprognose erwartet Studienautor Nic Newman, dass aufgrund steigender Druckkosten und schwächerer Vertriebsnetze noch mehr Zeitungen die tägliche Druckproduktion einstellen werden.
Die Studie rechnet auch mit einer deutlichen Verschiebung hin zu kombinierten Angeboten von digitalen Nachrichten- und Nicht-Nachrichteninhalten, da große Verlage versuchen, bestehende Kundinnen und Kunden weiter an sich zu binden. „All Access“-Abos könnten Spiele, Podcasts, Zeitschriften, Bücher und sogar Inhalte anderer Verlage umfassen.
KI-Bots und persönliche Assistenten werden 2024 zudem an Bedeutung gewinnen, insbesondere bei aktuellen Nachrichten und im Sport. Dies wird grundlegende Fragen des geistigen Eigentums aufwerfen. Mit einer Verbesserung der Klontechnologien werden viele dieser Bots basierend auf Prominenten oder Journalistinnen und Journalisten agieren, was rechtliche und ethische Fragen aufwerfen wird.
Die Befragung für die von Nic Newman verfassten Studie „Journalism, Media, and Technology Trends and Predictions“ wird jährlich durchgeführt. Die Ergebnisse 2024 basieren auf der Befragung von 314 Führungskräften aus 56 Ländern, die in der Medienbranche tätig sind.