Hier erhalten Sie einen Überblick über das Ressort „Wirtschaft & Finanzen“ und den Beruf „Wirtschafts- und Finanzjournalist/in“:
Grundlagen des Wirtschaftsjournalismus
Berichterstattungsgegenstände
Wo im Wirtschaftsjournalismus die Schwerpunkte in der Berichterstattung liegen, hängt von der Art des Mediums ab: Während Medien mit bundesweiter Reichweite das Geschehen in der Wirtschaft auch aus volkswirtschaftlicher Sicht beleuchten und auch Nachrichten aus der internationalen Wirtschaft aufgreifen, werden diese Aspekte von regionalen und lokalen Medien weniger ausführlich dargestellt. Bei diesen Medien steht eher die regionale Wirtschaft im Vordergrund.
Wirtschaftsjournalismus: mehr als Wirtschaft
Dass der Wirtschaftsjournalismus zu den Kernressorts gehört, die von allen Medien mit einer Vollredaktion angeboten werden, hat vor allem historische Gründe: So war der Wirtschaftsjournalismus bereits im ausgehenden Mittelalter der wichtigste Motor für die Verbreitung von Nachrichten: Kaufleute, die international Handel trieben, waren auf die Informationen aus den sogenannten Kaufmannsbriefen, die als Vorläufer der modernen Zeitung gelten, dringend angewiesen. Darüber hinaus ist vor allem seit der politischen Wende anno 1990 eine immer enger werdende Verzahnung zwischen Wirtschaft und Politik zu beobachten, die sich auch in der Berichterstattung aus beiden Ressorts niederschlägt: Politische Entscheidungen beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung während umgekehrt große Konzerne einen wesentlichen Einfluss auf die Politik nehmen. Dieses Vorgehen ist als Lobbyismus bekannt und wird von Spezialisten in politischen Zentren ausgeübt, wo sie einen engen Kontakt zu Politikern pflegen.
Schieflagen in einzelnen Branchen gelangen meist nur dann an die breite Öffentlichkeit, wenn politische Maßnahmen erforderlich sind, um die Branchen zu stützen und Arbeitsplätze zu retten. Das war etwa mit der Abwrackprämie für die deutsche Automobilindustrie oder in der jüngsten Bankenkrise der Fall. In diesen Fällen arbeiten Wirtschaftsjournalisten eng mit ihren Kollegen aus anderen Ressorts, vor allem dem Politikressort, zusammen. Je nachdem, unter welchem Aspekt das Thema beleuchtet wird, liegt dann der Schwerpunkt entweder auf Wirtschaft oder auf Politik.
Ein Ressort im Umbruch
Schon seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass sich der Beruf des Wirtschaftsjournalisten zunehmend differenziert. Die Berichterstattung erfolgt schon seit einigen Jahren nicht mehr nur in den Publikums- und Fachmedien sowie Verbrauchermagazinen, sondern zunehmend auch in Publikationen von Innungen, Kammern, Berufs- und Branchenverbänden. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um interne Publikationen für die Mitglieder. Diese können sich dort über die aktuellen Entwicklungen in ihrer Branche informieren und erfahren dadurch frühzeitig, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern. Beispielsweise, wenn in der Politik über neue Förderinstrumente für einzelne Branchen oder Regionen diskutiert wird. Große Unternehmen oder einzelne Branchen wie beispielsweise Bäcker und Metzger geben darüber hinaus eigene Zeitschriften für ihre Kunden heraus. Neben einem hohen Serviceanteil bieten diese auch Wirtschaftsnews aus der jeweiligen Branche, die für den Verbraucher interessant sein können.
Rezipienten
Der Wirtschaftsjournalismus galt lange Zeit als ein Ressort für Entscheidungsträger. Freiberufler und Gewerbetreibende informierten sich hier ebenso über die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wie Führungskräfte in Behörden und Unternehmen sowie Mitarbeiter aus dem Finanzsektor wie Versicherungsmakler oder Bankkaufleute.
Ein Krisenressort?
Für wirtschaftliche Themen haben sich die Verbraucher in der Vergangenheit meist nur in Zeiten der Krise interessiert. So war die aktuelle Wirtschaftslage beispielsweise Anfang der 1930er Jahre während der großen Depression auch das Gesprächsthema in zahlreichen Familien und im gesellschaftlichen Rahmen. Zu den Zeiten, in welchen sich die große Masse der Mediennutzer zunehmend für Politik und Wirtschaft interessierte, gehören auch die Jahre nach den beiden Weltkriegen.
Dies war nach dem Ersten Weltkrieg besonders augenfällig: Denn hohe Reparationszahlungen an die Siegesmächte und Gebietsverluste hatten dem Deutschen Reich die wirtschaftliche Grundlage zumindest teilweise den Boden entzogen. Das wiederum stellte den Nährboden für radikale Kleinparteien dar, welche die Weimarer Republik ins Chaos stürzten.
Der Wirtschaftsjournalismus erreicht die breite Masse
Die Ölkrisen in den 1970er Jahren trugen massiv dazu bei, dass sich eine breite Masse an Mediennutzern dauerhaft mit Wirtschaftsjournalismus beschäftigte. Wirtschaftsjournalisten konzentrierten sich nicht mehr ausschließlich auf Nachrichten aus der Wirtschaft, sondern begannen auch, Zusammenhänge zu erläutern. Das setzte sich in den 1980er Jahren fort. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die Umweltbewegung, die nach Ansätzen suchte, um Ökonomie in Einklang mit der Ökologie zu bringen.
Ein Aufschwung mit der Volksaktie
Eine weitere Hochphase bei den Mediennutzern erlebte der Wirtschaftsjournalismus während der 1990er Jahre. Nun zeichnete sich ab, dass die staatlichen Vorsorgesysteme alleine nicht mehr ausreichten. Während einerseits die Leistungen aus den Sozialversicherungen beschnitten wurden, legte die Bundesregierung andererseits verschiedene Fördermaßnahmen für die private Vorsorge auf. Die Bevölkerung informierte sich also im Wirtschaftsteil der großen Publikumsmedien sowie in verschiedenen Fachmagazinen über die besten Möglichkeiten zur Geldanlage.
Das gipfelte Mitte der 1990er Jahre mit dem Börsengang der Deutschen Telekom in einen regelrechten Boom des Wirtschaftsjournalismus. Denn auch der „einfache“ Bürger hatte nun die Aktie als Anlageform entdeckt und wollte sich natürlich auch über die Entwicklung und das mögliche Potenzial seiner Geldanlage informieren.
Auch der Zusammenbruch des Neuen Marktes ab der Jahrtausendwende änderte nichts am ungebrochenen Interesse der Mediennutzer am Wirtschaftsjournalismus. Dafür sorgten einerseits politische Entscheidungen wie die Ausweitung des Euroraumes und andererseits die aktuellen Entwicklungen der Weltwirtschaft. So folge unmittelbar auf die Krise in der Automobilindustrie eine globale Finanzkrise. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch den völlig aufgeblähten Immobilienmarkt in den USA. Die faulen Kredite waren in Finanzprodukten untergebracht worden, die weltweit verkauft wurden. Und nachdem die Blase geplatzt war, wurden die nicht gedeckten Immobilienkredite in den USA plötzlich zu einem Problem für deutsche Anleger. Die weitere Entwicklung, die zum Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers und letztlich zum Staatsbankrott in Griechenland geführt hat, sorgte weiterhin für ein hohes Interesse an Wirtschaftsthemen bei nahezu allen Mediennutzern.
Bedeutung
Die Bedeutung des Wirtschaftsjournalismus ist seit der Ölkrise in den 1970er Jahren kontinuierlich gewachsen. Dazu tragen mehrere Faktoren bei. Beispielsweise agieren selbst kleine und mittelständische Unternehmen mittlerweile global: Es gibt nahezu kein Produkt mehr, das komplett in einer Firma oder einem Land hergestellt wird. Trotz hoher Transportkosten ist es für die Unternehmen wirtschaftlicher, die eigentliche Produktion in Länder wie China auszulagern und die Produkte anschließend lediglich noch zu veredeln.
Auch die zunehmende Verzahnung von Wirtschaft und Politik trägt zur stetig wachsenden Bedeutung bei. Das betrifft nicht nur politische Entscheidungen, die sich direkt auf die Wirtschaft auswirken, sondern auch die Tatsache, dass in verschiedenen Ländern Unternehmer in die Politik drängen. Der italienische Medienzar Silvio Berlusconi etwa nutzte die geballte Macht seines Medienimperiums, um den Stuhl des Premierministers zwischen 1994 und 2011 viermal zu erobern. In den ehemaligen Sowjetrepubliken sind es dagegen die Oligarchen, die zunehmend politischen Einfluss gewinnen. Die deutschen Mediennutzer messen dem insofern eine hohe Bedeutung bei, als sie davon direkt betroffen sind. Denn zahlreiche Rohstoffe, die hierzulande verbraucht werden stammen wie etwa Erdgas aus Quellen im Osten.
Wirtschaftliche Unsicherheit
Ein weiterer wichtiger Faktor für die große Bedeutung des Wirtschaftsjournalismus ist die persönliche wirtschaftliche Unsicherheit vieler Mediennutzer. Denn immer mehr Arbeitnehmer sind in temporären Beschäftigungsverhältnissen oder arbeiten für zwei bis drei Arbeitgeber. Sie informieren sich durch den Wirtschaftsjournalismus, um ihre eigene Situation zu verbessern und neue Jobchancen zu entdecken oder vielleicht sogar Marktlücken aufzustöbern, in welchen sie sich selbstständig machen können.
Fokus Deutschland
Dass der Wirtschaftsjournalismus in Deutschland eine wesentlich größere Rolle spielt als in anderen Ländern, hat vor allem historische und geografische Gründe. So etablierten vor allem die großen deutschen Kaufmannsfamilien der Fugger und Welser mit den Kaufmannsbriefen ein System zum europaweiten Verbreiten von Nachrichten.
Vor allem in unsicheren Zeiten wie während des 30jährigen Krieges waren die Kaufleute dringend darauf angewiesen, mit aktuellen Informationen aus den Städten, mit welchen sie Handel trieben, versorgt zu werden. Nachdem sich schließlich Wochen- und Tageszeitungen als neue Medien etabliert hatten, bildeten Unternehmer und Führungskräfte in Unternehmen eine wichtige Zielgruppe, auch weil sich der einfache Arbeitnehmer bis in die Schlussphase der Industrialisierung diese Informationsquellen nicht leisten konnte. Das änderte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, inzwischen hatte sich der Wirtschaftsteil als eines der wichtigsten Ressorts bereits fest etabliert.
Die Lage im Herzen Europas
Eine noch wichtigere Rolle spielt der Wirtschaftsjournalismus in Deutschland seit der geopolitischen Wende nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Denn der wirtschaftliche Aufbau der neuen Bundesländer traf beispielsweise in Form des Solidaritätszuschlages nahezu jeden Mediennutzer. Zudem besteht ein starkes Lohngefälle zwischen Deutschland und den Staaten des früheren Ostblocks. Davon sind insbesondere die grenznahen Regionen Deutschlands zu Tschechien und Polen betroffen, Diese erleben einen Strukturwandel, nachdem billigere Konkurrenten aus dem nahegelegenen Ausland oder komplette Betriebsverlagerungen in die Nachbarländer zum Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen geführt haben. Dieser Strukturwandel ist längst noch nicht abgeschlossen und dürfte sich künftig sogar noch gravierender auswirken.
Qualitätskriterien
Qualität zeigt sich im Wirtschaftsjournalismus vor allem durch eine sachliche Berichterstattung, in welcher die Zusammenhänge erklärt werden. Sofern der Wirtschaftsjournalist über ein Thema berichtet, das die Verbraucher direkt betreffen könnte, erwarten die Mediennutzer vom Wirtschaftsjournalisten, dass er diese auch benennt und vielleicht auch ein Berechnungsbeispiel gibt. Reißerische und zu emotionale Schlagzeilen oder Teaser werden hingegen eher als qualitativ schlecht eingeschätzt.
Mehr Qualität mit Service
Besonders hoch ist der Qualitätsanspruch der Mediennutzer bei Onlinemedien. Eine Verlinkung zu weiterführenden Seiten oder interaktive Infografiken werden hier in der Berichterstattung fast als Standard erwartet. Der Anspruch, Qualität durch Service zu liefern, gilt natürlich auch für alle anderen Mediengattungen. Während es sich dabei im Radio um ausführlichere Erklärungen handeln kann, sind das in Fernsehen und Printmedien passende Bilder, Infokästen und Infografiken, die einen Sachverhalt bildlich darstellen.
Aufwendige Geschichten statt Hofberichterstattung
Eine qualitativ hochwertige Berichterstattung kann der Mediennutzer auch daran erkennen, wie tief der Wirtschaftsjournalist in die Materie einsteigt. Wird nur eine offizielle Mitteilung neu aufbereitet oder hat der Journalist selbst recherchiert und kann das Thema unter verschiedenen Aspekten beleuchten? Diese Frage kann der versierte Mediennutzer im Normalfall rasch erkennen. Denn wenn er die Beiträge aus dem Wirtschaftsjournalismus nicht nur konsumiert, sondern sich für die Materie interessiert, bezieht er seine Informationen meist aus verschiedenen Quellen. Dadurch hat er einen direkten Vergleich und kann die Qualität eines Beitrages allein deshalb sehr gut einschätzen.
Beruf Wirtschaftsjournalist/in
Faszination
Die Beweggründe für junge Journalisten, sich für den Wirtschaftsjournalismus zu entscheiden, sind höchst unterschiedlich. Eine wichtige Motivation besteht natürlich am grundsätzlichen Interesse an Wirtschaft, Politik und globalen Zusammenhängen. Zudem agieren Wirtschaftsjournalisten so nah am tagesaktuellen Geschehen, wie es ansonsten nur im Politikressort der Fall ist. Doch im Gegensatz zu ihren Kollegen, haben sie auch bei aktuellen Themen meist ausreichend Zeit für eine tiefer gehende Recherche, sodass sie dem Mediennutzer einen Beitrag liefern können, in welchem sie das jeweilige Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und vielleicht sogar neue Aspekte entdecken.
Interdisziplinär arbeiten
Die Tatsache, dass Wirtschaftsjournalisten häufig im Team mit Kollegen aus anderen Ressorts zusammen an einem Thema arbeiten, macht ebenfalls einen besonderen Reiz dieses Ressorts aus. Besonders eng arbeiten Wirtschaftsjournalisten mit Politikjournalisten zusammen. Deshalb sind viele Medien bereits dazu übergegangen, die einzelnen Redaktionen nicht mehr in unterschiedlichen Abteilungen unterzubringen, sondern einen ressortübergreifenden Newsdesk zu schaffen, in dem zumindest Politik- und Wirtschaftsjournalisten gemeinsam in einem Großraumbüro arbeiten. Gelegentlich spielen aber auch andere Ressorts wie der Umweltjournalismus in die Tätigkeit des Wirtschaftsjournalisten hinein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sie über die aktuellen Fördermöglichkeiten für regenerative Energiequellen berichten. Die großen Offshore-Windparks in der Nordsee etwa werden von den Betreibern als attraktive ökologische Form der Geldanlage vermarktet. Hier wollen die Anleger nicht nur eine attraktive – und unter Umständen vom Staat geförderte – Rendite erwirtschaften. Sie wollen mit ihrem Geld zugleich einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten, weshalb auch ökologische Aspekte in den Bericht einfließen sollten.
Neue Chancen mit Eigeninitiative
Der Wirtschaftsjournalismus gilt seit einigen Jahren als ein Ressort im Umbruch. Die Berichterstattung verlagert sich immer mehr von den klassischen Mediengattungen hin zu Online-Medien. Allerdings fehlen noch Bezahlmodelle. Für junge Wirtschaftsjournalisten ergeben sich dadurch die Chancen, nach der Ausbildung eigene Projekte zu starten. Diesen Weg sind etwa Frederik Spohr, der ein Korrespondentenbüro in Bangkok eröffnet hat, sowie Laura Frommberg, die in der Schweiz ein Online-Portal zum Thema Luftfahrt gegründet hat, gegangen.
Rollenverständnis
Der Wirtschaftsjournalist schlüpft im Rahmen seiner Tätigkeit in ein relativ beschränktes Rollenkorsett. Denn vom Wirtschaftsjournalisten erwartet der Mediennutzer vor allem eines: Seriosität. Deshalb nimmt er hauptsächlich die Rolle des Informierers wahr.
Der Wirtschaftsjournalist als Informierer
Egal, ob es um aktuelle Nachrichten oder um harte Fakten bei komplexen Zusammenhängen geht. In allen Mediengattungen nimmt der Wirtschaftsjournalist vor allem die Rolle des Informierers ein, der die Fakten nennt und Hintergründe ausführlich beleuchtet.
Der Wirtschaftsjournalist als Kritiker
Die Rolle des Kritikers erfordert vom Wirtschaftsjournalisten ein gewisses Maß an Sensibilität. Kritik an einzelnen Unternehmen ist von vielen Medien nicht erwünscht, da es sich vor allem bei regional tätigen Firmen oft um wichtige Anzeigenkunden des Mediums handelt. Dieses Tabu gilt allerdings nicht für Großunternehmen wie die Telekom oder die Deutsche Bahn, die teilweise über Wochen hinweg die Schlagzeilen mit Pannen im Fahrdienst und beim Börsengang beherrschte. Auch politische Entscheidungen können schnell ins Kreuzfeuer der Kritik von Wirtschaftsjournalisten geraten. Das war etwa bei der Ausweitung des Euroraums der Fall, als vor allem Wirtschaftsjournalisten die Frage aufwarfen, ob die neuen Beitrittsländer tatsächlich wirtschaftlich fit für den gemeinsamen Wirtschaftsraum sind. Kritik wird häufig in Form eines Kommentars geäußert.
Der Wirtschaftsjournalist als Aufklärer
Investigative Arbeit ist im Wirtschaftsjournalismus eher selten gefragt. Doch falls der Wirtschaftsjournalist in die Rolle des Aufklärers schlüpft, der Missstände aufdeckt, handelt es sich häufig um spektakuläre Fälle. So deckte etwa die ARD in einer aufwendig produzierten Reportage die Zustände auf, die hinter den Kulissen bei Amazon herrschen. Auch der Dauerbrenner „Steuersünder“ gründete auf der Tätigkeit von investigativ arbeitenden Wirtschaftsjournalisten, welchen es gelungen ist, eine CD mit den Daten Prominenter, die deklarierte und nicht deklarierte Gelder auf Konten in der Schweiz hatten, zu erhalten.
Der Wirtschaftsjournalist als Übersetzer
Bei hochkomplexen Wirtschaftsthemen, etwa Rohstoffhandel oder Forex-Trading fungiert der Wirtschaftsjournalist teilweise auch als Übersetzer, der dem Mediennutzer die Begriffe und das Handelssystem an sich erklärt. Diesen Part übernehmen innerhalb der Redaktionen allerdings vorwiegend Spezialisten, welche in die Materie eingearbeitet sind.
Beschäftigungsformen
Spätestens nachdem die Financial Times Deutschland am 7. Dezember 2012 geschlossen wurde, hatte die Wirtschaftskrise auch den Wirtschaftsjournalismus erreicht. Die Chancen darauf, nach der Ausbildung zum Wirtschaftsjournalisten eine Festanstellung als Redakteur zu finden, stehen insgesamt eher schlecht. Allerdings werden auch in den Redaktionen immer wieder Spezialisten zu bestimmten Teilbereichen des Wirtschaftsjournalismus gesucht, was gute Chancen für den Nachwuchs bedeutet.
Am häufigsten arbeiten junge Wirtschaftsjournalisten als Freelancer und beliefern verschiedene Medien mit ihren Beiträgen. Ein gängiges Modell, das vor allem im Wirtschaftsjournalismus beliebt ist, lautet folgendermaßen: Der Redaktionsleiter koordiniert die Themen. An Freelancer werden vor allem rechercheintensivere Themen vergeben. Diese können die notwendige und sorgfältige Recherche durchführen, ohne den Druck durch den Redaktionsschluss im Nacken zu haben. Die festen Redakteure hingegen können sich dadurch voll auf die Produktion des Formats konzentrieren.
Beschäftigungsmöglichkeiten
Was mögliche Arbeit- und Auftraggeber angeht, haben Wirtschaftsjournalisten von allen Fachjournalisten die größte Auswahl. Denn abgesehen von Special Interest Medien aus anderen Bereichen besitzt jedes Medium ein eigenes Ressort Wirtschaftsjournalismus. Darüber hinaus sind zahlreiche Wirtschafts-Fachmedien auf dem deutschen Markt vertreten. Diese richten sich sowohl an spezialisiertes Fachpublikum als auch an interessierte Mediennutzer, die eigentlich in anderen Branchen arbeiten.
Neben Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen sind auch Nachrichtenagenturen ein wichtiger Arbeit- und Auftraggeber für Wirtschaftsjournalisten. Dieser Fachbereich ist bei den Full-Service-Agenturen neben Sport und Politik der Wichtigste. Experten rechnen damit, dass die Rolle der klassischen Medien künftig von Angeboten im Netz übernommen wird. An Modellen, wie die Online-Portale wirtschaftlich betrieben werden können, arbeiten aktuell alle Herausgeber in der Wirtschaftspresse, eine Lösung hat allerdings noch kein Verlag gefunden.
Wirtschaft statt Medien
Wirtschaftsjournalisten, die eine Festanstellung bevorzugen, finden attraktive Angebote in der freien Wirtschaft. Große Unternehmen bieten in der Öffentlichkeitsarbeit ebenso Stellen an wie Branchenverbände oder Wirtschaftskammern. Verbände und Kammern haben in den vergangenen Jahren ihr Angebot an Publikationen sogar erheblich ausgeweitet.
Berufsaussichten
Die Berufsaussichten für Wirtschaftsjournalisten gelten trotz der aktuellen Wirtschaftskrise als glänzend. Ihre Chancen auf den Einstieg in die Welt der Medien können angehende Wirtschaftsjournalisten erheblich steigern, wenn sie eine große Affinität zum Internet und den Neuen Medien mitbringen.
Schon seit einigen Jahren zeichnet sich der Trend ab, dass Mediennutzer, die sich über wirtschaftliche Themen informieren wollen, dies eher im Netz als in den klassischen Medien machen. Vor allem Profis aus dem Finanzbereich schätzen das Netz als Informationsquelle. Schließlich können sie hier die Börsenkurse an allen wichtigen Börsenplätzen weltweit nahezu in Echtzeit abrufen. Die große Herausforderung sehen die Verleger darin, aus einmaligen Besuchern der Online Portale User zu machen, die das Portal dauerhaft und vor allem regelmäßig besuchen.
Weil Expertenwissen gefragt ist
Die Welt der Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren so komplex geworden, dass ein Allrounder künftig kaum noch alle Aspekte abdecken kann. Eine gewisse Spezialisierung innerhalb des Ressorts kann deshalb die Chancen für angehende Wirtschaftsjournalisten erheblich steigern. Sie können sich beispielsweise auf verschiedene Branchen wie Börsenberichterstattung, Banken und Versicherungen oder auf eine bestimmte Region spezialisieren und entstehende oder bestehende Marktlücken mit ihrem Angebot füllen. Das hat etwa Frederik Spohr vorgemacht, der in Bangkok vom eigenen Korrespondentenbüro aus über den südostasiatischen Wirtschaftsraum berichtet. Für ihn hat sich das insofern gelohnt, als in dieser Region nur relativ wenige Medien mit einem eigenen Wirtschaftskorrespondenten vertreten sind. Er kann also nahezu exklusiv zahlreiche Medien über Wirtschaftsberichte aus dieser Region der Welt beliefern.
Wirtschaftsjournalisten in Unternehmen
Auch bei Unternehmen dürfte das Fachwissen der Wirtschaftsjournalisten künftig noch stärker gefragt sein. Gerade für international agierende Unternehmen ist die Kommunikation nach innen sowie nach außen extrem wichtig. Diese Aufgabe wird in zunehmendem Maß von Wirtschaftsjournalisten übernommen, die journalistisches Know-how mit dem nötigen Fachwissen geradezu ideal kombinieren.
Arbeitsprozesse im Wirtschaftsjournalismus
Themenfindung
Ähnlich wie der Politikjournalist kann auch der Wirtschaftsjournalist für die Themenfindung auf zahlreiche externe Quellen bauen. Denn Nachrichtenagenturen und Börsen versorgen den Wirtschaftsjournalisten mit tagesaktuellen Informationen. Darüber hinaus erhält das Wirtschaftsressort regelmäßig Pressemitteilungen von Verbänden und Unternehmen. Dabei handelt es sich vielfach nicht um versteckte Werbung oder PR, wie man vielleicht meinen könnte. Denn teilweise sind Unternehmen veröffentlichungspflichtig und müssen die Medien informieren. Das gilt etwa für die Geschäftsberichte bei Aktiengesellschaften.
Ein Blick in andere Ressorts
Darüber hinaus sollten Wirtschaftsjournalisten die aktuellen Informationen aus anderen Ressorts im Auge behalten. Denn zahlreiche Entscheidungen, die in der Politik getroffen werden, haben einen Einfluss auf die Wirtschaft, wodurch sich schon während der Diskussion über ein neues Gesetz im Bundestag Grund für eine Berichterstattung auch im Wirtschaftsjournalismus ergibt.
Auch auf internationaler Ebene werden zahlreiche Vorgaben beschlossen, welche Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland haben. Das gilt insbesondere für Entscheidungen, die im Ministerrat der Europäischen Union beschlossen werden und innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Ein Beispiel dafür sind etwa die strenger werdenden Abgasnormen für Autos. Davon ist Deutschland insbesondere betroffen. Denn mit Porsche, BMW und Mercedes haben hier gleich drei Autohersteller, die vorwiegend das Luxussegment im Automarkt bedienen, ihren Sitz.
Recherche
Bei der Recherche müssen Wirtschaftsjournalisten besonders sensibel vorgehen, da ihnen im Vergleich zu anderen Ressorts nur relativ wenige Recherchequellen zur Verfügung stehen. Das sind neben Wirtschaftsministerien in Bund und Ländern vor allem die verschiedenen Branchenverbände, Gewerkschaften und natürlich die Betriebe selbst.
Häufig ist ein tagesaktuelles Geschehen der Anlass dafür ein Thema tiefer zu beleuchten. Den Anlass, warum ein Wirtschaftsjournalist einen bestimmten Sachverhalt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beleuchtet, liefern häufig die Kollegen aus anderen Ressorts, meist aus dem Politikressort.
Der Wirtschaftsjournalist und die Sorgfaltspflicht
Besonders strenge Maßstäbe muss der Wirtschaftsjournalist bezüglich der Sorgfaltspflicht bei der Recherche ansetzen. Denn sollte eine unsaubere Recherche zu einer falschen Meldung führen, kann das einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden führen. Im schlimmsten Fall kann das sogar Schadensersatzforderungen an das Medium oder den Wirtschaftsjournalisten nach sich ziehen.
Als Paradebeispiel dafür, welchen wirtschaftlichen Schaden bereits eine Indiskretion anrichten kann, ereignete sich zu Beginn des neuen Jahrtausends in Deutschland: Der damalige Manager der Deutschen Bank, Rolf Breuer, hatte in einem Fernsehinterview öffentlich die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe angezweifelt. Das Medienunternehmen, das Firmengründer Leo Kirch ab Mitte der 1950er Jahre aufgebaut hatte, meldete im April 2002 die Insolvenz an und wurde in mehrere Teile zerschlagen. Anschließend verklagte Kirch die Deutsche Bank wegen einer Verletzung des Bankgeheimnisses und führte den Prozess bis zu seinem Tod am 14. Juli 2011. Seine Erben prozessierten weiter und forderten einen Schadenersatz in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Erst im Februar 2014 gelang eine außergerichtliche Einigung: Die Deutsche Bank zahlte an die Kirch-Erben 925 Millionen Euro.
Darstellungsformen
Die Mediennutzer erwarten vom Wirtschaftsjournalisten ein hohes Maß an Seriosität. In Bezug auf das Schreiben und Texten bedeutet das: Der Journalist sollte beim Verfassen seiner Beiträge möglichst sachlich und neutral bleiben. Zu reißerische Formulierungen und ein zu emotionaler Stil gelten für den Mediennutzer als ein Zeichen für mangelnde Seriosität.
In dafür geeigneten Formaten wie dem Kommentar oder der Reportage darf der Stil der Berichterstattung allerdings persönlicher sein. Bis zu welchem Grad das der Fall ist, hängt bei der Reportage allerdings stark vom jeweiligen Gegenstand der Berichterstattung ab. Wird etwa ein neues Produktionsverfahren vorgestellt, sollte der Tenor ebenfalls sachlich und neutral sein. Wird dagegen beispielsweise über die drohende Schließung von Betrieben berichtet, kann der Tonfall des Beitrags auch sehr emotional sein. Allerdings lässt der Wirtschaftsjournalist in diesem Fall vor allem die Betroffenen sprechen und fungiert in der Berichterstattung eher als Moderator, der die Sicht der Betroffenen mit der Darstellung der Firmenleitung in einem oder mehreren Berichten bündelt.
Wirtschaftsjournalismus in den Medien
Mediengattungen
Der Bericht und die Nachricht sind die dominierenden journalistischen Darstellungsformen in allen Mediengattungen. Sehr gern wird der Kommentar gewählt, wenn Kritik an einer Entwicklung geübt wird oder der Wirtschaftsjournalist seine eigene Meinung mit einbringen will. Weitere übliche Formate sind Reportage und Feature.
Wirtschaftsjournalismus in den Printmedien
Die klassischen Darstellungsformen des Wirtschaftsjournalismus in Printmedien sind Nachricht, Bericht und Kommentar. Letzterer wird gern genutzt, wenn der Wirtschaftsjournalist Kritik äußern oder ein umfangreiches Thema mit einer persönlichen Meinung bereichern möchte. Während Tageszeitungen vor allem das Tagesgeschehen im Blick haben und die wichtigen Fakten bündeln, werden in wöchentlich und monatlich erscheinenden Magazinen die Themen tiefer gehend beleuchtet. Die Berichterstattung erfolgt hier differenzierter unter mehr Gesichtspunkten, als dies in der Tagespresse der Fall ist. Das aktuelle Geschehen wird oft als Anlass für eine umfangreiche Berichterstattung gewählt.
Wirtschaftsjournalismus im Radio
Nachrichten und Berichte sind auch im Radio die wichtigsten journalistischen Darstellungsformen. Bei aktuellen Ereignissen mit regionaler oder überregionaler Bedeutung bietet es sich an, ein Interview mit den Betroffenen zu führen. Sofern über einen strukturellen Wandel in der deutschen Wirtschaft berichtet wird, wird von Wirtschaftsjournalisten im Radio gern das Feature genutzt, um den Hörer umfassend über das Thema und die Hintergründe zu informieren. Diese Darstellungsform bot sich beispielsweise an, als sich mit der Schließung der ersten Zechen das Ende des Bergbaus im Ruhrgebiet abzeichnete.
Wirtschaftsjournalismus im Fernsehen
Neben dem Bericht und der Nachricht spielt für die Berichterstattung über Wirtschaftsthemen im Fernsehen vor allem die Reportage eine wichtige Rolle. Dadurch dass in den Filmbeiträgen die Bilder im Vordergrund stehen, wird dem Zuschauer das Verständnis für die Thematik erleichtert. Je nach Anlass können die Bildbeiträge durchaus emotional angehaucht sein, etwa, wenn über die Schließung eines Betriebes berichtet wird und Hunderte von Mitarbeitern entlassen werden müssen.
Wirtschaftsjournalismus in Online-Medien
Sehr hohe Ansprüche stellt der Mediennutzer an Wirtschaftsjournalisten, die in Online-Medien publizieren. Dass sie fachlich fundiert berichten, wird als Selbstverständlichkeit erachtet. Um den Erwartungen der Mediennutzer zu entsprechen, bauen sie in ihre Berichte neben Bildern und Infografiken häufig auch Links zu weiterführenden Seiten ein, damit der Leser tiefer in die Materie einsteigen kann.
Wirtschaftsjournalismus im Fotojournalismus
Für den Fotojournalisten gelten im Wirtschaftsjournalismus keine besonderen Vorgaben. Die Bildredaktion ist vor allem bei überregionalen Medien meist lediglich für die Auswahl des passenden Bildmaterials zuständig. Grafiken, Tabellen und ähnliches Material zur Auflockerung des Beitrages werden üblicherweise in der Grafikabteilung erstellt.
Medienangebote
Der Wirtschaftsjournalismus spielt in allen Medien eine so wichtige Rolle, dass kein Format auf Wirtschaftsberichterstattung verzichtet. Neben den reichweitenstarken Publikumsmedien gibt es außerdem zahlreiche Fachtitel, die für Laien und Profis aus der Wirtschaft berichten.
In allen vier überregional erscheinenden Tageszeitungen Deutschlands gilt der Wirtschaftsteil als sehr bedeutsam für das Medium. Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau und Die Welt konzentrieren sich dabei vor allem auf international und bundespolitisch wichtige Themen. Regionale Aspekte spielen für sie nur eine Rolle, wenn eine betroffene Branche im unmittelbaren Verbreitungsgebiet betroffen ist, etwa die Werftindustrie im Großraum Hamburg oder der Bankensektor in Frankfurt.
Das seit Mai 1946 täglich erscheinende Handelsblatt gilt als Pflichtlektüre an den beiden Wertpapierbörsen in Düsseldorf und Frankfurt. Die Zeitung wird von der Düsseldorfer Verlagsgruppe Handelsblatt herausgegeben.
Die täglich erscheinende Börsen-Zeitung erscheint seit Februar 1952 und berichtet ausschließlich über den Finanzsektor an deutschen sowie internationalen Finanzplätzen. Sie gilt als wichtiger Meinungsbildner für den Kapitalmarkt.
Seit 1962 erscheint das Wirtschaftsmagazin Capital, das sich an ein breites Publikum richtet, in monatlichem Turnus. Abonnenten erhalten zudem wöchentlich den Börsenbrief Capital Investor.
Das Wirtschaftsmagazin Wirtschaftswoche mit wöchentlicher Erscheinungsweise existiert bereits seit 1926 und gilt ebenfalls als Pflichtlektüre an den deutschen Finanzplätzen. Bekannt ist das Magazin in der breiten Öffentlichkeit für sein alljährliches Hochschulranking.
Das seit 1971 erscheinende Monatsmagazin Manager Magazin hat den redaktionellen Schwerpunkt in der Unternehmensberichterstattung. Seit 1992 ehrt das Manager Magazin in der Hall of Fame Persönlichkeiten aus Industrie und Volkswirtschaft, seit 1995 wird ein Manager des Jahres gewählt.
Sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen erfolgt die regelmäßige Berichterstattung aus dem Wirtschaftsressort überwiegend bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in umfangreicheren Magazinen. Wichtige Nachrichten aus der Wirtschaft werden jedoch auch von Privatsendern ausführlicher dargestellt.
Vor allem die etablierten Medien sind im Bereich des Wirtschaftsjournalismus mit Online-Magazinen im Netz vertreten. Zudem gibt es zahlreiche Blogs und Serviceportale rund um die Wirtschaft, die jedoch vielfach von Wirtschaftsexperten ohne journalistisches Know-how betrieben werden.
Wirtschaftsjournalismus im Wandel der Zeit
Historie
Der Wirtschaftsjournalismus ist untrennbar mit der Pressegeschichte verbunden. Die Geschichte dieses Ressorts reicht bis ins späte Mittelalter zurück, als Kaufmannsfamilien die sogenannten Kaufmannsbriefe als Informationsdienst gründeten, um das Risiko für ihre geschäftlichen Aktivitäten in Grenzen zu halten. Als Beispiel für diese Kaufmannsbriefe gelten die Fuggerzeitungen, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts als Sammlung von handschriftlichen Notizen erschienen.
Erst nachdem sich der Buchdruck als günstige Lösung zur weiteren Verbreitung des geschriebenen Wortes durchgesetzt hatte, entstanden während des 18. Jahrhunderts die Intelligenzblätter als neue Medien. Neben öffentlichen Verlautbarungen erschienen darin auch wirtschaftliche Nachrichten, etwa zu Handel, Gewerbe und Wechselkursen.
Der Wirtschaftsjournalismus etabliert sich
Es sollte jedoch noch bis ins 19. Jahrhundert dauern, bis sich der Wirtschaftsjournalismus als eigenständiges Ressort etabliert hatte. Von Anfang an enthielten die regionalen und überregionalen Zeitungen, die während des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, einen eigenen Wirtschaftsteil. Die Bedeutung des Ressorts wuchs, nachdem sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung die rationelle Massenproduktion endgültig durchgesetzt hatte. Nun erlebten die Börsen als Handelsplatz für Wertpapiere und Unternehmensanteile einen Aufschwung. Die Mediennutzer, vor allem jene, die Geld in den Wirtschaftskreislauf investieren wollten, hatten nun großes Interesse an Nachrichten aus der Wirtschaft, aber auch an fundierten Analysen sowie Ratgebern in Finanzdingen.
Weil die Nachfrage nach Informationen aus der Wirtschaft ungebrochen hoch blieb, wurden an der Schwelle zwischen 19. und 20. Jahrhundert außerdem die ersten reinen Börsenzeitungen sowie Nachrichtenagenturen gegründet.
Wirtschaftsjournalismus in den Massenmedien
Zu einem festen Bestandteil der Berichterstattung wurde der Wirtschaftsjournalismus schließlich in den 1960er Jahren. Nach den kargen Jahren des Wirtschaftswunders konnten sich die Mediennutzer nun Gedanken über Geldanlage und Vorsorge machen. Zeitungen und Fernsehen reagierten darauf, indem sie nun auch regelmäßig über verbrauchernahe Wirtschaftsthemen berichteten.
Einen regelrechten Boom erlebte der Wirtschaftsjournalismus ab Mitte der 1990er Jahre, als immer mehr Verbraucher ihr Geld in Aktien und andere Wertpapiere investierten. Der Wirtschaftsjournalismus wurde in tagesaktuellen Medien erheblich ausgeweitet, während zahlreiche neue Magazine gegründet wurden. Nicht alle überlebten jedoch das Ende des Neuen Marktes, als Technologiewerte ins Bodenlose stürzten und zahlreiche Verbraucher feststellen mussten, dass sich ihre Ersparnisse gewissermaßen in Luft aufgelöst hatten.
Einen weiteren Boom erlebt der Wirtschaftsjournalismus seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wirtschaftliche Aspekte einen wachsenden Anteil an politischen Entscheidungen haben. Teilweise ist dies auf die Ausweitung der Befugnisse überstaatlicher Einrichtungen in Zusammenhang mit dem enger zusammenwachsenden EU-Binnenmarkt. Aber auch die Folgen der Wirtschaftskrise sorgen für ein ungebrochenes Interesse.
Wirtschaftsjournalismus in der Krise?
Einige Experten wie Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt im Rahmen der branchenintern umstrittenen Studie „Wirtschaftsjournalismus in der Krise“ vertreten die Meinung, dass die globale Finanzkrise auch den Wirtschaftsjournalismus an sich in die Krise gestürzt habe. Ein Grund für diese Einschätzung: Wirtschaftsjournalisten hätten den Wandel der Finanzmärkte von einem Dienstleister zu einer eigenständigen Branche innerhalb der Realwirtschaft zu unkritisch kommentiert. Andere Experten sehen den Wirtschaftsjournalismus eher in einer Umbruchphase, die in Richtung einer service- und nutzwertorientierteren Berichterstattung laufen dürfte.
Ausblick
Die Serviceorientierung dürfte künftig einen noch wichtigeren Faktor für den Wirtschaftsjournalismus darstellen, als es bisher der Fall ist. Dazu dürfte eine weitere Entwicklung beitragen, die sich bereits seit einigen Jahren abzeichnet: Geht es um wirtschaftliche Themen, sind nicht mehr die klassischen Medien die wichtigsten Informationsquellen für die Mediennutzer, sondern Online-Portale.
Forciert wird dieser Prozess zusätzlich von der Werbewirtschaft. Denn während die Werbeumsätze in Printmedien, Hörfunk und Fernsehen seit Jahren schrumpfen, steigt der Werbeumsatz im Online-Bereich kontinuierlich an. Die Branche rechnet damit, dass über kurz oder lang Online-Medien die endgültig die Informationsquelle Nummer Eins für Wirtschaftsthemen sein dürften. Deshalb arbeiten nahezu alle Medien an Bezahlmodellen für die Nutzung der Online-Angebote. Ein Modell, das zahlreiche Tageszeitungen nutzen, lautet: Die Top-Themen der nächsten Ausgabe werden im Online-Portal nur angeteasert. Leser, die ein Abonnement der Zeitung besitzen, können den Bericht bereits vorab im Netz lesen.
Differenziert sich der Wirtschaftsjournalismus?
Insgesamt wird erwartet, dass durch die Neuen Medien zahlreiche neue Arbeitsplätze im Umfeld des Wirtschaftsjournalismus entstehen werden. Zudem dürfte der klassische Allrounder, der alle Themen im Wirtschaftsjournalismus bedienen kann, bald Geschichte sein.
Ein Grund liegt im wachsenden Aufgabenfeld. So bringen Banken und Versicherungen regelmäßig neue Finanzprodukte auf den Markt. Allein dieser Bereich kann einen ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet bereits auslasten. Auch der stetig anwachsende Finanzsektor bietet ausreichend Raum für Spezialisten auf diesem Sektor.
Hinzu kommt die geografische Ausweitung. Noch in den 1990er Jahren musste der Wirtschaftsjournalist lediglich die aktuellen Ereignisse in Deutschland, Europa, die USA und Japan verfolgen. Denn diese Staaten gaben wirtschaftlich und politisch weltweit den Ton an. Mittlerweile haben diese Staaten – teilweise massiv – an Bedeutung verloren, während das geopolitische Gewicht der Schwellenländer wie China und selbst von Dritte-Welt-Staaten deutlich gestiegen ist. Der Grund dafür liegt teilweise darin, dass die Produktion vieler Wirtschaftsgüter in mehreren Staaten erfolgt. Bricht in den Grenzen eines wichtigen Rohstoffproduzenten plötzlich ein Bürgerkrieg aus, kann das im Extremfall indirekt zur Unternehmenspleite in einem Industriestaat führen. Auch diese globalen Zusammenhänge bieten hervorragende Chancen für junge Berufseinsteiger.
Arbeitsteilung zwischen klassischen und neuen Medien?
Der große Vorteil der Online-Medien ist die Möglichkeit, hier fast zeitgleich mit den wichtigen Geschehnissen zu publizieren. Die Entwicklung dürfte also dahin gehen, dass in Online-Portalen vor allem serviceorientierter und aktueller Wirtschaftsjournalismus geboten wird. In den klassischen Medien wie Zeitungen und Zeitschriften dürfte in den kommenden Jahren hingegen die Hintergrundberichterstattung wieder mehr Gewicht bekommen.
Ausbildung zum Wirtschaftsjournalisten
Allgemeine Hinweise
Angehende Journalisten, die sich auf den Fachbereich Wirtschaftsjournalismus spezialisieren wollen, brauchen zunächst fundierte Kenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaft. Darüber hinaus sollten sie sich allerdings auch für das aktuelle politische Geschehen und gesellschaftliche Entwicklungen interessieren. Denn wirtschaftliche Aspekte spielen in zahlreichen Bereichen eine wichtige Rolle, die eigentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsressorts fallen. So fällt in Berlin und Brüssel nahezu keine politische Entscheidung, in welche auch wirtschaftliche Erwägungen hineinspielen.
Welches Studium eignet sich am besten?
Wenn es um die Besetzung von Volontärstellen geht, sind im Wirtschaftsjournalismus vor allem Studenten der Wirtschaftswissenschaften gefragt. Im Grunde spielt es keine Rolle, ob sich die Studenten für die Betriebs- oder die Volkswirtschaftslehre entscheiden. Denn in der Betriebswirtschaftslehre stehen vor allem einzelne Unternehmen im Fokus. Forscher und Studenten untersuchen die Zusammenhänge innerhalb von Unternehmen, betriebliche Prozesse und innerbetriebliche Strukturen. Die wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge von Gesellschaften stehen dagegen in der Volkswirtschaftslehre im Vordergrund.
Die Wahl des Studiums hat zunächst keinen Einfluss auf die Ausbildung zum Wirtschaftsjournalisten. Allerdings legen die Studenten damit möglicherweise bereits frühzeitig den Grundstein für eine spätere Spezialisierung innerhalb des Wirtschaftsressorts.
Grundsätzlich gute Chancen für den Einstieg in den Wirtschaftsjournalismus haben allerdings auch die Studenten anderer sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie der Soziologie, der Demografie und der Kommunikationswissenschaft, welche bereits auf eine spätere Karriere in den Medien ausgelegt ist.
Chancen für Exoten?
Weil sich in der Weltwirtschaft die Schwerpunkte bereits deutlich in Richtung Schwellenländer wie China oder Osteuropa verschoben haben, werden Studenten, die ein eher exotisches Fach wie Südostasienkunde oder Slawistik studiert haben, gute Chancen für eine Karriere als Wirtschaftsjournalist eingeräumt. Für sie empfiehlt es sich jedoch eher, die Ausbildung ohne Hinblick auf die spätere Spezialisierung zu absolvieren. Falls sie später keine direkte Beschäftigungsmöglichkeit als Fachjournalist finden, können sie alternativ zunächst für andere Ressorts arbeiten und sich erst im Laufe ihres Berufslebens auf den Wirtschaftsjournalismus spezialisieren.
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Volontariat
Das klassische Volontariat bei einem Publikumsmedium nach dem Studium bietet angehenden Wirtschaftsjournalisten die idealen Voraussetzungen für den Einstieg in den Wirtschaftsjournalismus. Fachmedien bieten den Volontären zwar den besseren fachlichen Hintergrund für die spätere Tätigkeit. Doch bei Publikumsmedien lernen angehende Wirtschaftsjournalisten den tatsächlichen Alltag besser kennen.
Rotation als großes Plus
Im Rahmen ihrer zweijährigen Ausbildung arbeiten sie für jeweils mehrere Monate in den verschiedenen Ressorts des Mediums. Dadurch lernen sie bereits während der Ausbildung, interdisziplinär zu arbeiten. Denn der Politikjournalist nutzt teilweise völlig andere Quellen für die Recherche als ein Wirtschaftsjournalist. Die Vorgehensweise der Kollegen hautnah kennengelernt zu haben, kann nach der Ausbildung für den Wirtschaftsjournalisten also nur von Vorteil sein. Schließlich besteht ein großer – und wachsender – Anteil der Arbeit in ressortübergreifender Methodik.
Regional oder überregional?
Auch die von angehenden Fachjournalisten für die eigene Ausbildung eher ungeliebten regionalen Medien bieten vor allem dem angehenden Wirtschaftsjournalisten Möglichkeiten, sich Fähigkeiten anzueignen, die er im späteren Berufsleben braucht. Denn auch im Lokalen erfolgt die Berichterstattung über wirtschaftliche Themen, häufig unter der Rubrik „Heimatwirtschaft“. In diesem Ressort lernt der junge Journalist, wie er Kontakte knüpft und sich ein Netzwerk aufbauen kann, um vielleicht die eine oder andere exklusive Information zu bekommen. Diese Fähigkeit benötigt er, wenn er später investigative Geschichten machen möchte.
Journalistenschule
Das Angebot, Wirtschaftsjournalismus an einer Journalistenschule zu studieren, wird erst seit Kurzem ausgeweitet. Aktuell bieten drei journalistische Bildungseinrichtungen diese Spezialisierung bereits während der Ausbildung an.
Die Kölner Journalistenschule ist die traditionsreichste Einrichtung in der Ausbildung von Wirtschaftsjournalisten. Hier werden neben Wirtschafts- auch Politikjournalisten ausgebildet, wobei der deutliche Schwerpunkt beim Wirtschaftsjournalismus liegt. Im Rahmen dieser vierjährigen Ausbildung müssen die Journalistenschüler ab dem zweiten Semester parallel ein Studium an der Uni Köln absolvieren. Zur Auswahl stehen die Fächer Betriebs- sowie Volkswirtschaftslehre oder Sozialwissenschaften.
Neu im Studienangebot der Business and Information Technology School in Iserlohn ist der Bachelor-Studiengang Wirtschaftsjournalismus. Im Rahmen des sechssemestrigen Studiums absolvieren die Studenten jeweils ein Auslandssemester in Brüssel und Perth in Australien.
Eine Professur für Wirtschaftsjournalismus wurde am Institut für Journalistik an der Technischen Universität Dortmund mit Mitteln der Stiftung Wirtschaftsjournalismus eingerichtet. Das Institut für Journalistik arbeitet für diesen Studiengang eng mit der Technischen Universität in Dortmund sowie mit der Bochumer Ruhr-Universität zusammen.
Zweifachstudium
Die Möglichkeit, Wirtschaftsjournalismus in Kombination mit einem anderen Fach im Rahmen eines Zweifachstudiums zu studieren, wird an keiner Universität in Deutschland angeboten. Die Studenten haben allenfalls die Möglichkeit, parallel zum Studium eine journalistische Ausbildung zu absolvieren. Diese Möglichkeit haben beispielsweise Studenten an der Universität Passau. In Zusammenarbeit mit der örtlichen Tageszeitung bietet die Universität diese Doppelausbildung im Rahmen eines Stipendiums an, allerdings nicht ressortbezogen. Die Studenten, die diesen Weg wählen, arbeiten während der Semesterferien in einer Redaktion und haben mit dem Studium auch das Volontariat abgeschlossen.
Quereinstieg
Extrem schwierig dürfte sich der komplette Quereinstieg aus einer anderen Branche in den Wirtschaftsjournalismus gestalten. Der Grund dafür liegt darin, dass die angehenden Wirtschaftsjournalisten sowohl fundierte wirtschaftliche Kenntnisse als auch journalistisches Know-how in den Beruf mitbringen müssen. Das Journalistenhandwerk können sie im Rahmen eines Fernstudiums an der Freien Journalistenschule oder im Deutschen Journalistenkolleg parallel zu ihrer Berufstätigkeit erlernen.
Das Problem besteht darin, dass sie sich zusätzlich einen umfangreichen Wissensschatz aus der Wirtschaft aneignen müssten. Da sie den Quereinstieg in den Wirtschaftsjournalismus üblicherweise aus einem anderen Beruf heraus vorbereiten, ist das zeitlich schlicht unmöglich.
Hervorragende Chancen für den Branchenumstieg
Wer hingegen aus dem beruflichen Alltag mit Zusammenhängen und Begriffen aus der Wirtschaft bereits vertraut ist, kann den Quereinstieg nach der journalistischen Ausbildung relativ problemlos bewältigen. Das gilt beispielsweise für Beschäftigte in der Versicherungswirtschaft oder bei Banken. Sie sind mit den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden aus dem beruflichen Alltag her bestens vertraut und können beispielsweise in den serviceorientierten Wirtschaftsjournalismus einsteigen oder sich zunächst mit Finanzthemen beschäftigen. Mit steigendem Erfahrungs- und Wissensschatz können sie die Bereiche, aus welchen sie die Berichterstattung übernehmen, allmählich ausweiten.
Wo sammeln Quereinsteiger Erfahrungen?
Gute Referenzen können für den Quereinstieg in den Wirtschaftsjournalismus natürlich nicht schaden. Diese können die angehenden Journalisten etwa durch die Tätigkeit für die örtlichen Medien erwerben. Beispielsweise können sie für deren Mediennutzer einen Finanz- oder Versicherungsratgeber schreiben und dadurch in den Journalismus einsteigen. Um zu zeigen, dass sie auch mit den Neuen Medien bestens vertraut sind, können sie einen eigenen Finanzblog ins Leben rufen. Diesen können sie als journalistische Spielwiese nutzen, um zu zeigen, dass sie auch mit den verschiedenen Darstellungsformen vertraut sind.