Eine Analyse von Rechtsanwalt Christian Solmecke.
„Faeser verbietet Compact-Magazin“. Diese Schlagzeile sorgte für Aufruhr in der Medienbranche. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Printmedium behördlich in Gänze verboten wird. Eine politisch und verfassungsrechtlich heikle Lage. Doch steht die Pressefreiheit dem Verbot nicht entgegen? Und was bedeutet es für Medienschaffende? Rechtsanwalt Christian Solmecke hat den Fall für den DFJV analysiert.
Am 16.07.2024 hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die rechtsextremistische „Compact-Magazin GmbH“ und die zugehörige „CONSPECT FILM GmbH“ verboten. Das „Compact“-Magazin darf laut Verbot nun weder in Print erscheinen noch dürfen dessen Online-Kanäle (Website, YouTube, Telegram, X, TikTok, Instagram) weiter betrieben werden. Das Vermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Ein rechtlicher Rundumschlag. Während SPD, Grüne und Linke die Maßnahme begrüßen, kritisierte der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke zusammen mit dem Lager des rechtsextremistischen Magazins einen „Anschlag auf die Pressefreiheit“. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt deshalb nun eine Klage samt Eilantrag vor.
In der Tat wirft das Vorgehen des Bundesinnenministeriums rechtliche Fragen auf: Was sagt das Verbot nun wirklich über die Pressefreiheit aus? Gibt es schon ernste Konsequenzen für Medienschaffende? Und wie wird die Sache womöglich ausgehen?
BMI stützt sich auf Vereinsrecht
Für Aufsehen sorgte vor allem die Methode des Ministeriums. Ein Verbot von ganzen Printmedien kennt das Presserecht eigentlich nicht – weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Hier fehlt es (bewusst) an einschlägigen Rechtsgrundlagen.
Faesers Ministerium stützte das Verbot allerdings auf Vereinsrecht, und zwar auf § 3 Vereinsgesetz (VereinsG). Dieser Paragraf ermöglicht Verbote, wenn ein Verein „gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ gerichtet ist. Gleiches gilt für wirtschaftliche Unternehmen wie die Compact-Magazin GmbH. Eine solche verfassungswidrige Zielrichtung sah Faeser hier als gegeben. Das Ministerium begründete die Entscheidung auf fast 80 Seiten – sowohl mit Inhalten und politischen Positionen des Magazins („Deislamisierung“, „Dominanz der eigenen Kultur“, „Leitkultur“, „patriotische Massenbewegung“) als auch mit Aussagen von Compact-Funktionären wie Chefredakteur Jürgen Elsässer:
„Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.“
Das BMI bescheinigt Compact insgesamt eine „kämpferisch-aggressive Haltung“. Das ist kein Zufall, denn genau diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für ein Verbot politischer Vereine notwendig.
Erlaubt die Pressefreiheit diesen „Umweg“?
Nach der Einschätzung einiger Verfassungsrechtsexperten ist es damit allerdings nicht getan. Das Problem: Das vorrangige Ziel des BMI war das Verbot von Compact als Medium. Das Vereinsverbot sei damit womöglich nur ein „Mittel zum Zweck“ gewesen. Ein Umweg, der sich mit der Pressefreiheit nicht verträgt.
Das ist deshalb rechtlich höchst relevant, da die Pressefreiheit bei einem Vereinsverbot üblicherweise eine untergeordnete Rolle spielt: Wird ein rechtsextremer Verein verboten, ist dessen Meinungsfreiheit einer von vielen Faktoren bei der Beurteilung seiner verfassungsfeindlichen Zielrichtung. Wird diese aber einmal festgestellt, bekommt die Pressefreiheit keine besondere Aufmerksamkeit mehr – insbesondere wird nicht mehr abgewogen, ob es zugunsten der Pressefreiheit ein milderes Vorgehen als ein Verbot gegeben hätte. Das ist jedenfalls weitgehend juristisch anerkannt.
Das ist in Fällen auch durchaus berechtigt, in denen eine rechtsextreme Publikation nur eine Begleiterscheinung des Vereins ist. Wenn der Verein dann verboten wird, wird das entsprechende Heftchen, Flugblatt oder Positionspapier en passant mitverboten. Anders liegt es aber, wenn die Pressetätigkeit der einzige Inhalt des Vereins ist, im Falle von Compact mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren. Dann müsste die Pressefreiheit eigentlich die größte Rolle spielen. Deshalb vertreten nun einige Experten die Auffassung, dass der Umweg über das Vereinsrecht durchaus die Pressefreiheit Compacts unterlaufen könnte.
Gerichte könnten Aufschluss geben
Der Compact-Fall zeigt, dass das Verhältnis von Vereins- und Presserecht noch nicht eindeutig abschließend geklärt ist. Denn es ließe sich ebenfalls – und das hat das BMI in seiner Begründung ebenfalls angeschnitten – auch auf vergangene Rechtsprechung des BVerwG abstellen: Im Fall des linksextremen Online-News-Portals linksunten.indymedia hatte das Bundesverwaltungsgericht ein Verbot nach Vereinsrecht bereits durchgewunken, obwohl auch hier das Medium – in dem Fall die Website – gewissermaßen im Zentrum stand. Das Verbot der Publikationen empfand das Gericht „nur als Folge“ des vereinsrechtlichen Verbotes.
Der Fall von linksunten.indymedia lag allerdings auch etwas anders, da es für das Verbot von Websites (Telemedien) eigene polizeiliche Rechtsgrundlagen im Medienstaatsvertrag gibt.
Ob das Bundesverwaltungsgericht nun eine ähnliche Beurteilung wie für linksunten.indymedia treffen wird, oder doch auf bestimmte Details aus der BMI-Begründung anspringt, bleibt abzuwarten. Zu begrüßen wäre eine Klärung, die die Reibungspunkte zwischen Vereins- und Presserecht aufklärt. Besonders erfreulich wäre, dass am Ende des Prozesses eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht. Denn linksunten.indymedia hatte durchaus Verfassungsbeschwerde eingelegt, die allerdings nicht zur Entscheidung zugelassen wurde, da es nichts zum BVerwG-Urteil argumentiert hatte.
Ein „Warnschuss“ für Medienschaffende?
Es darf nicht vergessen werden, dass Compact längst als rechtsextremistisch eingestuft worden ist und dass die Einschätzungen des BMI zur Gesinnung und Zielrichtung von Compact rechtlich nicht in Zweifel gezogen werden. Laut Angaben des BMI hat es Compact als „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ auch nur deshalb überhaupt ins Visier genommen, da die verfassungsfeindlichen Handlungen und Äußerungen nicht „nur vereinzelte Entgleisungen und Ausrutscher“ waren, sondern sich in ein insgesamt verfassungsfeindliches Gesamtbild einfügten. Insofern haben redliche Medienschaffende im Nachgang des Compact-Verbots keine besonderen Konsequenzen zu befürchten. Auch Publikationsteams aus freien Journalisten haben – unabhängig von ihrer rechtlichen Organisation – nun keine stärkere staatliche Zensur zu erwarten.
Die zentrale Frage ist nicht, ob Compact verfassungsfeindliches Gedankengut vertrat. In der Tat hätte der Staat gegen einzelne Beiträge vorgehen können, soweit diese strafrechtlichen Grenzen überschritten. Die Gerichte könnte aber nun die Frage beschäftigen, inwieweit ein allgemeines Verbot eines Printmediums zu unserer wehrhaften Demokratie dazugehört.
Fazit
Als Interessenvertretung setzen wir uns für die Pressefreiheit als wichtige Säule der Demokratie ein. Wir distanzieren uns jedoch von menschenverachtendem, extremistischem Gedankengut und hetzerischen Inhalten, die die Grenzen der Meinungs- und die Pressefreiheit überschreiten. Im vorliegenden Fall erachten wir eine sorgfältige gerichtliche Überprüfung des Verbots für sinnvoll, um seine Rechtmäßigkeit zu beweisen.