Blogger 2014: Das Selbstverständnis von Themenbloggern und ihr Verhältnis zum Journalismus

Die Bedeutung von Blogs hat als Teil der Medien in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse in diesem Bereich liegen bislang aber kaum vor. Wie lässt sich die Arbeit von Bloggern kennzeichnen? Welche Rollenbilder und Qualitätsstandards haben Blogger? Und wie sehen Blogger das Verhältnis zum Journalismus? Diese und andere Fragen standen im Vordergrund einer vom Deutschen Fachjournalisten-Verband beauftragten Studie der Universität Hohenheim. Die Ergebnisse basieren auf einer Erhebung unter Themenbloggern im deutschsprachigen Raum.
Inhalt und Ziele
Es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Blogs. Alleine bei der Plattform Tumblr – nur einer von zahlreichen Plattformbetreibern – waren im April 2014 weltweit 182,5 Millionen Blogs erfasst (Tumblr, 2014). Die genaue Anzahl deutscher Blogs kann nicht festgestellt werden, da kein Gesamtverzeichnis existiert und fortdauernd neue Blogs entstehen bzw. verschwinden – ohne dass diese jedoch unbedingt gelöscht würden. Das Medium „Blog“ zeichnet sich zudem durch eine Vielzahl an Erscheinungsformen aus. Allgemein können drei Arten bzw. Typen von Blogs unterschieden werden (Beck, 2008): 1. persönliche Tagebücher, 2. nicht-persönliche Themenblogs und 3. Corporate Blogs, die von Akteuren in Wirtschaftsunternehmen, Verbänden und politischen Organisationen betrieben werden.
Um mehr über die Tätigkeiten von Bloggern, ihr Rollenselbstverständnis und ihre Ansichten zum Verhältnis von Blogs und Journalismus zu erfahren, haben wir eine Online-Umfrage unter Bloggern durchgeführt. Im Detail werden in diesem Beitrag vor allem Ergebnisse vorgestellt, die sich mit den Merkmalen und Vorstellungen von Themenbloggern befassen. Themenblogger sind besonders interessant, weil sie durch ihre Fokussierung auf bestimmte Themenfelder und ihre an den Journalismus angelehnte Arbeitsweise gewissermaßen fachjournalistisch tätig sind und in ihrem Ressort die medienvermittelte öffentliche Kommunikation bereichern können.
Der detaillierte Ergebnisbericht zur Studie kann hier abgerufen werden.
Methodische Umsetzung
Die Erhebung wurde im Februar 2014 als standardisierte Online-Befragung durchgeführt. Insgesamt wurden 2478 Themenblogger recherchiert und per E-Mail zur Teilnahme eingeladen. 535 Teilnehmer schlossen die Befragung ab, davon waren 515 Datensätze auswertbar. Die Stichprobengröße fällt mit n = 403 kleiner aus, da sich einige der befragten Blogger selbst nicht als Themenblogger bezeichneten. Im Anschluss an die Erhebung wurden die persönlichen Daten gelöscht.
Stichprobenbeschreibung
Die Themenblogger in der Stichprobe sind überwiegend männlich (71,7 Prozent) und im Durchschnitt 37,7 Jahre alt. Die formale Bildung der Themenblogger ist ausgesprochen hoch: Über die Hälfte der Befragten besitzt einen Hochschulabschluss. Die meisten der befragten Blogger haben keinen journalistischen Hintergrund; nur 8,4 Prozent gaben an, dass sie über eine journalistische Ausbildung verfügen. Der Großteil (71,2 Prozent) hat – abgesehen von der Tätigkeit als Blogger – noch nie als Journalist gearbeitet.
Charakterisierung der Bloggertätigkeit
Die meisten Blogger (71,5 Prozent) betreiben mehr als nur ein Blog. Im Durchschnitt führen die Befragten 3,1 Blogs. Sie betreiben diese Blogs alleine (93,1 Prozent) sowie oft auch in Kooperation mit anderen (49,9 Prozent). In unserer Stichprobe publizieren Themenblogger vor allem zu folgenden Bereichen: Kultur und Medien (40,2 Prozent) sowie Technik/Computer/Internet (33,0 Prozent)1.
43,9 Prozent der Blogger veröffentlichen mehrmals pro Woche einen Beitrag, insgesamt 63,0 Prozent posten mindestens einmal pro Woche. Dabei beträgt der Zeitaufwand für das Bloggen durchschnittlich gut 9 Stunden pro Woche, bei erheblicher Schwankungsbreite. Die Hälfte der Befragten nimmt sich zwischen 2 und 12 Stunden Zeit, jeweils ein Viertel liegt darunter und darüber. Den größten Anteil dieser Zeit (46,2 Prozent) widmen sich die Blogger der Erstellung von Inhalten. Auf Recherche entfallen 28,3 Prozent des Zeitbudgets, auf Vermarktung 11,9 und auf die technische Betreuung 10,9 Prozent.
Es ist bemerkenswert, dass nahezu alle Themenblogger (95,8 Prozent) im Rahmen ihrer Tätigkeit recherchieren. Die wichtigste Recherchequelle stellen Internetquellen, insbesondere andere Blogs, dar. Außerdem haben persönliche Gespräche (online und offline) eine hohe Bedeutung. Die Offline-Angebote der klassischen Massenmedien wie Tageszeitungen, Fernsehen und Radio sind hingegen weniger wichtig.
Fast alle Themenblogger (97,8 Prozent) ergreifen Maßnahmen zur Verbreitung und Steigerung der Bekanntheit ihres beziehungsweise ihrer Blogs. Die von den meisten Bloggern genutzten Kanäle sind dabei soziale Netzwerkseiten (82,2 Prozent) sowie Blogverzeichnisse (75,1 Prozent). 62,9 Prozent machen über Kommentare in anderen Blogs auf das eigene Angebot aufmerksam, 30,2 Prozent verfassen Gastbeiträge in anderen Blogs.
Die Leseranzahl der Themenblogs schwankt stark (Minimum = 5; Maximum = 2 Mio. pro Monat). Der Median liegt bei 1000 Lesern. Themenblogger, die die Kommentarfunktion freigeschaltet haben, erhalten im Durchschnitt etwas mehr als drei Kommentare auf ihre Posts; auch hier variieren die Einzelangaben stark.
Fast drei Viertel der befragten Themenblogger (74,2 Prozent) erzielen Einnahmen durch ihre Bloggertätigkeit. Sie erwirtschaften im Mittel etwa 523 Euro pro Monat.2
Nur 11,9 Prozent der Blogger, die Einnahmen erwirtschaften, erzielen Gewinne von 1.000 Euro oder mehr. Das entspricht 7,9 Prozent der Gesamtstichprobe. Die am häufigsten genannten Einnahmequellen sind Werbung und Affiliate Marketing.
Selbstverständnis von Themenbloggern und ihr Verhältnis zum Journalismus
Um etwas über das Selbstbild von Bloggern herauszufinden, haben wir eine Skala zum journalistischen Rollenselbstverständnis angepasst und den Bloggern vorgelegt (vgl. Malik & Scholl 2009). Diese gliedert sich in drei übergeordnete Rollenbilder: (1) Information und Vermittlung, (2) Kritik und Kontrolle und (3) Service und Unterhaltung.
In Abbildung 1 sind die Aussagen zum Rollenselbstverständnis Information und Vermittlung dargestellt. Im Rahmen dieser Rolle wollen Themenblogger komplexe Sachverhalte erklären und ihr Publikum neutral, präzise und schnell informieren. Es ist jedoch weniger ein Ziel von Themenbloggern, dabei ein möglichst breites Publikum anzusprechen.
Abbildung 2 zeigt das Verständnis von Kritik und Kontrolle. Die Aussagen innerhalb dieses Rollenselbstbildes werden kontrovers bewertet. Das Item mit dem höchsten Skalenwert (Sachverhalte beobachten und darüber zu berichten) lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass Themenblogger eine Kontrollfunktion einnehmen möchten; vielmehr geht es ihnen eventuell um die neutrale Informationsvermittlung. Im Rahmen des Selbstbildes Kritik und Kontrolle ist es für Themenblogger durchschnittlich wichtig, Sachverhalte zu interpretieren und die öffentliche Diskussion über Themen anzuregen. Die politische Agenda zu beeinflussen oder Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren entspricht hingegen nicht dem Selbstverständnis von Themenbloggern. Von den drei oben skizzierten Rollenbildern ist das Selbstbild Kritik und Kontrolle bei Themenbloggern insgesamt am schwächsten ausgeprägt.
In Abbildung 3 sind die Aussagen zum Rollenselbstverständnis Service und Unterhaltung dargestellt. In diesem Rollenbild finden wir die höchste Zustimmung: Themenblogger sehen sich als Unterhalter und Trendsetter, die ihrem Publikum persönliche Empfehlungen und Hilfestellungen bieten. Sie wollen neue Trends aufzeigen und ihre Ideen vermitteln. Dabei geben sie ihren Lesern Ratschläge und lassen ihre persönliche Meinung einfließen. Themenblogger weisen in überdurchschnittlicher Weise Eigenschaften von Meinungsführern auf.

Abbildung 1: Rollenselbstverständnis „Information und Vermittlung“

Abbildung 2: Rollenselbstverständnis „Kritik und Kontrolle“

Abbildung 3: Rollenselbstverständnis „Service und Unterhaltung“
Themenblogger legen hohe Standards an ihre eigene Arbeit an. Bei der Erhebung dieser Aussage wurde ein Fragebogen von Wyss (2002) genutzt, der um blogspezifische Qualitäten ergänzt wurde.3 Eine Faktorenanalyse zeigte zwei Dimensionen auf: erstens die journalistische Qualität, die Objektivität, Relevanz, Richtigkeit und Aktualität umfasst, und zweitens die Beziehung zum Publikum. Beide Dimensionen werden von den Themenbloggern als sehr wichtig erachtet. Tatsächlich ist die journalistische Qualität (M = 3,92) für Themenblogger sogar noch bedeutender als die Beziehung zu ihren Lesern (M = 3,64).
Abschließend wurden Blogger zum Verhältnis von Blogs und Journalismus befragt. Bei der Erhebung haben wir uns an Items von Neuberger, Nuernbergk und Rischke (2009) orientiert. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse.
Tabelle 1: Verhältnis von Blogs und Journalismus | ||
---|---|---|
n | Arithmetisches Mittel (Durchschnitt) |
|
Blogs sind eine neue/andere Art von Journalismus. | 402 | 3,91 |
Journalismus übernimmt Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus Blogs. | 400 | 3,45 |
Blogs übernehmen Themen, Meinungen, Fakten und Interpretationen aus dem Journalismus. | 400 | 3,44 |
Blogs lenken die Aufmerksamkeit auf journalistische Angebote. | 401 | 3,42 |
Journalismus kritisiert Blogs. | 398 | 3,34 |
Alle Blogs sind Journalismus. | 401 | 3,15 |
Journalismus lenkt die Aufmerksamkeit auf Blogs. | 402 | 2,93 |
Blogs konkurrieren mit dem Journalismus. | 400 | 2,91 |
Blogs erbringen bessere Leistungen als Journalismus. | 402 | 2,91 |
Blogs kritisieren den Journalismus. | 401 | 2,70 |
Abfrage über semantisches Differenzial; Zustimmungsskala: 5 = volle Zustimmung zum dargestellten Item, 1 = Zustimmung zum entgegengesetzten Item |
Die größte Zustimmung fand die Aussage, dass Blogs eine neue/andere Art des Journalismus sind. In den danach folgenden Statements manifestiert sich die gegenseitige Inspiration von Blogs und Journalismus: Einerseits glauben Blogger, dass Journalisten Themen aus der Blogosphäre ziehen, andererseits werden auch sie selbst von journalistischen Produkten inspiriert. Die Analyse zeigt aber auch, dass es aus Sicht der Blogger ein Spannungsverhältnis zwischen Bloggern und Journalisten gibt: Blogger fühlen sich tendenziell vom Journalismus kritisiert; dass Blogger ihrerseits den Journalismus kritisieren, das wird hingegen kaum bestätigt. Es gibt durchaus Blogger, die die Konkurrenz zwischen Blogs und Journalismus betonen und/oder die Überlegenheit von Blogs hervorheben, auch wenn diese Aussagen insgesamt geringere Mittelwerte erreichen. Die integrative Perspektive, bei der alle (Themen-)Blogs dem Journalismus zugeordnet werden, überwiegt.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Themenblogger, die nicht-persönliche Blogs betreiben, sich an den Standards des Qualitätsjournalismus orientieren. Ihr Selbstverständnis ähnelt journalistischen Rollenbildern, wie sie sich beispielsweise auch bei Onlinejournalisten finden. Themenbloggern ist die Informationsvermittlung wichtig: Sie wollen Sachverhalte beobachten, erklären und interpretieren, das Publikum möglichst neutral informieren und die Diskussion über (ihnen) wichtige Themen anregen. Darüber hinaus möchten sie neue Trends und Ideen vermitteln, dazu eigene Ansichten präsentieren und ihren Lesern als Ratgeber dienen. Kritik an Missständen und die Kontrolle von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind ihnen weniger wichtig.
Das Verhältnis von Blogs und Journalismus ist aus Sicht der befragten Blogger einerseits gegenseitig inspirierend, andererseits werden auch Spannungen zwischen Bloggern und Journalisten erkennbar, die auf ein Konkurrenzverhältnis schließen lassen. Alles in allem scheinen aber doch die komplementären Aspekte zu überwiegen. Die integrative Perspektive, in der (Themen-)Blogs in die öffentliche Kommunikation und den (Fach-)Journalismus einbezogen werden, erweist sich bereits heute als tragreich; sie wird in Zukunft eine noch größere Rolle spielen.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).
Prof. Dr. Dr. habil. Michael Schenk ist Professor für Kommunikationswissenschaft und Sozialforschung an der Universität Hohenheim und leitet dort seit 1993 die Forschungsstelle für Medienwirtschaft und Kommunikationsforschung (FMK). Julia Niemann (M. A.) ist dort seit 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Sie promoviert zum Thema Privatsphäre und Selbstoffenbarung auf sozialen Netzwerkplattformen. Anja Briehl (B. Sc.) studiert im Masterstudiengang Empirische Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Sie ist bereits seit 2011 als Projektassistentin tätig.
Literatur
Beck, K. (2008): Neue Medien – alte Probleme? Blogs aus medien- und kommunikationsethischer Sicht. In: A. Zerfass, M. Welker & J. Schmidt (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web, Köln, S. 62-77.
Malik, M. & Scholl, A. (2009): Eine besondere Spezies. Strukturen und Merkmale des Internetjournalismus. In: C. Neuberger, C. Nuernbergk & M. Rischke (Hrsg.): Journalismus im Internet. Profession, Partizipation, Technisierung, Wiesbaden, S. 169-195.
Neuberger, C., Nuernbergk, C. & Rischke, M. (2009): Eine Frage des Blickwinkels? Die Fremd- und Selbstdarstellung von Bloggern und Journalisten im öffentlichen Metadiskurs. In: C. Neuberger, C. Nuernbergk & M. Rischke (Hrsg.): Journalismus im Internet. Profession, Partizipation, Technisierung, Wiesbaden, S. 129-168.
Tumblr. (2014). Abgerufen von http://www.tumblr.com/about
Wyss, V. (2002): Redaktionelles Qualitätsmanagement. Ziele, Normen, Ressourcen, Konstanz.
- Bei der Angabe des Themas waren Mehrfachnennungen möglich. [↩]
- Diese Angabe stellt nur einen Näherungswert dar. Sie wurde generiert, indem bei der kategorial abgefragten Variable „Gewinn“ die Mittelwerte der Kategorien eingesetzt wurden. [↩]
- Skala von 1 = überhaupt nicht wichtig bis 5 = sehr wichtig [↩]