Die Diskussionen über Vergünstigungen für Journalisten überdecken derzeit teilweise eine sehr viel wichtigere Entwicklung auf dem Weg zu einem „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“. Denn der Koalitionsausschuss von CDU und FDP hat am 4. März 2012 die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage beschlossen. Nachzulesen im Protokoll des Koalitionsausschusses der Regierungsparteien:
Dort heißt es:
„2. Urheberschutz – Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass Verlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sein sollen als andere Werkvermittler. Deshalb sollen Hersteller von Presseerzeugnissen ein eigenes Leistungsschutzrecht für die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge oder kleiner Teile hiervon erhalten. Gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen (wie Zeitungsartikel) im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen.
Damit werden die Presseverlage an den Gewinnen gewerblicher Internet-Dienste beteiligt, die diese – mit der bisher unentgeltlichen – Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen. Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten. Einzug und Verteilung der Entgelte soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Die Schutzdauer soll ein Jahr betragen.
Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet wird nicht vergütungspflichtig, normale User werden also nicht betroffen sein. In der gewerblichen Wirtschaft bleiben das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei.“
Der DFJV schätzt die aktuellen Bestrebungen zur Einführung eines Leistungsschutzrechts als innovationshemmend und rückwärtsgewandt ein. Für den DFJV bestehen berechtigte Zweifel daran, dass es den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen darum geht, zukunftsfeste Grundlagen für „Qualitätsjournalismus“ im Internet zu schaffen. Vielmehr versuchen sie, überkommene Geschäfts- und Erlösmodelle zuungunsten der (freien) Journalisten zu stärken.
Anders als ursprünglich von der Verlegerlobby vorgelegt, soll es aber offenbar keine allgemeine Abgabe für gewerbliche Nutzer geben. Es sollen nun (lediglich) gewerbliche Anbieter wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren zur Kasse gebeten werden. Dafür ist die Einführung einer Verwertungsgesellschaft vorgesehen. Auch die Urheber sollen eine „angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung“ erfahren. Dass die Urheber – also die freien Journalisten – mit der Einführung wahrscheinlich in ein Dilemma geraten und wohl auch recht wenig von der angekündigten Beteiligung zu erwarten haben, kann sehr anschaulich in einem Interview mit Klaus Minhardt, Geschäftsführer des Brandenburger Landesverbands des DJV, nachgelesen werden.
Noch sind die Details zum Gesetz der Öffentlichkeit unbekannt. Mit fundierter Kritik kann erst aufgewartet werden, wenn der Referentenentwurf zum Leistungsschutzrecht vorliegt. Alles andere wäre Kaffeesatzleserei, denn der genaue Wortlaut und damit die konkrete Ausgestaltung und Regelung des Leistungsschutzrechts ist weiterhin unklar.
Der DFJV wird den Fortgang des Gesetzgebungsprozesses wachsam und kritisch begleiten – gerade im Hinblick auf die Wahrung der Rechte und Interessen von freien Journalisten.
Weitere Beiträge und Kommentare zum Thema:
- Leistungsschutzrecht: zwischen Freude und Entsetzen
- Koalitionsausschuss beschließt Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage
- Wer hat Angst vorm Leistungsschutzrecht? Niemand! Wenn es aber kommt? Dann laufen wir!
- BRAK spricht sich gegen Leistungsschutzrecht für Verleger aus
- Warum beschweren sich deutsche Verleger nicht schon längst über Facebook?
Hey Verlage, wo wollt ihr mit der Knarre hin!?Ein paar Notizen zum kommenden LeistungsschutzrechtUnendliche Geschichte Urheberrecht. Vom Orchideenfach zum gesellschaftlichen Reizthema