Nachrichtenvertrauen so gering wie nie; Inhalte von Finanz- und Wirtschaftsnachrichten für viele schwer verständlich.
Das Interesse an Nachrichten ist langfristig betrachtet weiter rückläufig: Nur noch knapp mehr als die Hälfte (52 Prozent) der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland gaben 2023 an, überaus oder sehr an Nachrichten interessiert zu sein – das sind um 5 Prozentpunkte weniger als 2022. Zudem versucht jeder Zehnte aktiv, den Nachrichtenkonsum überhaupt zu vermeiden, und 65 Prozent gaben an, dies gelegentlich zu versuchen. Diese Zahlen gehen aus dem diesjährigen Digital News Report des Reuters Institutes zur digitalen Nachrichtennutzung hervor, für dessen deutsche Teilstudie das Leibnitz-Institut für Medienforschung in Hamburg hierzulande im Zeitraum 10. bis 31. Januar die Meinung von rund 2.000 erwachsenen Internetnutzenden erheben ließ.
Die Tendenz zur Nachrichtenvermeidung bleibt somit seit dem Vorjahr auf hohem Niveau stabil, nachdem es in den Jahren zuvor zu massiven Anstiegen gekommen ist. Besonders häufig meiden die Befragten Nachrichten zum Ukraine-Krieg, des Weiteren die Themen Unterhaltung bzw. Prominente, Gesundheit (wie COVID-19) und Sport.
Auch das Nachrichtenvertrauen ist weiterhin rückläufig: So sind nur noch 43 Prozent der Befragten der Ansicht, man könne den Nachrichten großteils vertrauen. Dieser Wert liegt sieben Prozentpunkte unter dem Vorjahresergebnis und markiert zudem den niedrigsten Stand, seit die Frage 2015 in die Umfrage aufgenommen worden ist. Auch in Bezug auf bekannte Nachrichtenmarken ist das Vertrauen leicht gesunken. Mit der ARD Tagesschau und ZDF heute genießen die Hauptnachrichten der Öffentlich-Rechtlichen dabei auch 2023 die höchsten Vertrauenswerte; auf Platz drei der Nennungen folgt „eine regionale bzw. lokale Tageszeitung“ und somit lokaljournalistische Angebote. Den – in den letzten Jahren vermehrt unter Druck geratenen – öffentlich-rechtlichen Nachrichtenmedien sprachen zudem insgesamt 52 Prozent Relevanz zu, 47 Prozent erachteten diese für sie persönlich wichtig. Nach Alter betrachtet stuften Menschen ab 55 Jahren deren gesellschaftliche und persönliche Bedeutung wesentlich höher ein als die jüngsten Befragten.
Das lineare Fernsehen ist für 43 Prozent der erwachsenen Internetnutzenden trotz rückläufiger Reichweite nach wie vor die Hauptnachrichtenquelle – dies gilt insbesondere für die über 54-jährigen. 39 Prozent der Befragten sehen Nachrichten hauptsächlich über das Internet, wobei hier die Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen mit 72 Prozent die stärkste Nutzungsgruppe darstellen. 35 Prozent der jüngsten Altersgruppe bezeichnen zudem soziale Medien als ihre Hauptnachrichtenquelle.
Die insgesamt am meisten genutzten sozialen Medien bleiben auch 2023 YouTube, WhatsApp und Facebook. Auch führen diese, wenn es darum geht, Nachrichten zu konsumieren, diese zu teilen und darüber zu sprechen. Jedoch verlieren die meisten sozialen Netzwerke in letzter Zeit an Reichweite. Nur TikTok verzeichnet 2023 diesbezüglich einen leichten Anstieg.
Ein knappes Drittel hat Verständnisschwierigkeiten bei Wirtschafts- und Finanzthemen
Aufgrund der aktuellen Energie- und Wirtschaftskrise lag ein Fokus der diesjährigen Befragung auf Finanz- und Wirtschaftsnachrichten. Die meistbeachteten Quellen zu diesen Themen waren die allgemeinen Nachrichten (im Fernsehen, Radio oder Internet), die von 41 Prozent der Befragten konsumiert wurden, vor fachspezifischen Magazinen (21 Prozent). Dabei gaben jedoch 30 Prozent der Befragten an, sie hätten Schwierigkeiten, diese Nachrichten zu verstehen – und 28 Prozent erachteten es des Weiteren als schwierig, Informationen über Finanzen und Wirtschaft in ihrem Alltag umzusetzen. Davon waren insbesondere Befragte mit geringem Einkommen betroffen.
Neu wurde in diesem Jahr auch erhoben, wie Nutzende verschiedenen Arten der Personalisierung von Nachrichteninhalten in sozialen Medien gegenüberstehen. Hierbei erachten 29 Prozent die Auswahl von Nachrichten durch journalistische Akteurinnen und Akteure als besten Weg der Selektion. Dies steht vor einer automatischen Auswahl auf Grundlage von früher abgerufenen Informationen (27 Prozent) und auf Basis abgerufener Informationen von Freunden (18 Prozent).
Mehr als ein Drittel hatte in diesem Zusammenhang zudem die Sorge, aufgrund von stärker personalisierten Nachrichten andere relevante Inhalte oder gegensätzliche Meinungen zu verpassen. Fast die Hälfte der befragten Internetnutzerinnen und -nutzer gab an, daher zumindest gelegentlich zu versuchen, ihren persönlichen Nachrichten-Feed (z. B. durch Folgen oder Entfolgen von Accounts, Stummschalten oder andere Änderungen der Einstellungen) zu ändern.
Die Ergebnisse verweisen des Weiteren auf ein starkes Interesse der Menschen an konstruktiven Formen des Nachrichtenjournalismus: So ist mehr als die Hälfte (58 Prozent) der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland „äußerst“ oder „sehr“ an positiven Nachrichten interessiert. Ebenso haben fast ebenso viele (53 Prozent) ein starkes Interesse an Nachrichten, die Lösungen anbieten und nicht nur Probleme aufzeigen. Des Weiteren interessiert sich die Hälfte (50 Prozent) der Nutzerinnen und Nutzer für Nachrichten, die ihnen helfen, komplexe Themen besser zu verstehen. Das Interesse an unterschiedlichen Darstellungsformen und Zielsetzungen von Nachrichten wurde 2023 zum ersten Mal erfragt.
Im Hinblick auf Nachrichten im Internet haben 37 Prozent der Befragten Sorge, Fake News gegebenenfalls nicht von Fakten unterscheiden zu können. Dies entspricht einer Erhöhung der Anteile von Befragten, die diesbezüglich Bedenken haben, um 5 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.
Fazit
Der DFJV sieht in den Ergebnissen des Digital News Reports für Deutschland auch einen Aufruf an den Fachjournalismus, das Medienvertrauen durch profunden Qualitätsjournalismus besonders in Krisenzeiten zu stärken. Zudem verweisen diese auf Verständnisschwierigkeiten von fast einem Drittel der Bevölkerung bei Wirtschafts- und Finanzthemen und somit bei journalistischen Inhalten, die in Zeiten der Energie- und Wirtschaftskrise und damit verbundenen steigenden Lebenserhaltungskosten derzeit für viele Menschen besonders relevant sind. Ebenso haben viele Menschen laut den Studienergebnissen Bedenken, Fake News nicht von Fakten unterscheiden zu können. Durch fundierte journalistische Beiträge, die verständlich formuliert, anschaulich und transparent gestaltet auch Zielgruppen erreichen, die nicht einem Fachpublikum zuzurechnen sind, kann der Fachjournalismus einen wichtigen Beitrag leisten, diesen negativen Entwicklungen entgegenzusteuern.
Der Reuters Institute Digital News Survey untersucht seit 2012 in derzeit 46 Ländern Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Die Ergebnisse für Deutschland sind repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren mit Internetzugang. Die Feldarbeit wurde vom Umfrageinstitut YouGov durchgeführt.