von RA Frank C. Biethahn (Vertragsanwalt des DFJV)
Im Onlinejournalismus sind Links und Streams inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Rechtlich sind diese Möglichkeiten allerdings nicht ungefährlich. Nachdem für das deutsche Recht bereits weitgehend geklärt schien, was erlaubt ist und was nicht, gerät jetzt zunehmend das höherrangige Europarecht in den Blickpunkt. Für das Europarecht entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH). Da das zugehörige deutsche Recht auf dem Europarecht beruht, sind die Vorgaben des EuGH für die deutschen Gerichte verbindlich.
Ein gerade veröffentlichtes Urteil des EuGH widmet sich (erneut) der Frage, wann Links erlaubt sind und wann nicht. Es erläutert zudem, wann Streaming aus fremder Quelle erlaubt ist und wann nicht.
Worum geht’s?
Die Entscheidung betrifft die Frage, ob es erlaubt ist, fremde urheberrechtliche Inhalte (z. B. Filme, Fotos, Texte …) per Link zugänglich zu machen. Im konkreten Fall wurde ein Gerät („multimedialer Medienabspieler“) verkauft, mit dem man über bereitgestellte Add-ons auf Websites gelangte, auf denen man urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers konsumieren konnte.
Ein solcher Geräteverkauf ist nicht primärer Gegenstand des Onlinejournalismus, dennoch betrifft der Fall den Onlinejournalismus im Kernbereich: Gleiches gilt nämlich, wenn von einem anderen Medium aus – z. B. einer Website – verlinkt würde, also das, was für den Onlinejournalismus eine völlige Selbstverständlichkeit ist.
Die Entscheidung
Der EuGH hatte zu entscheiden, ob eine sog. „öffentliche Wiedergabe“ vorlag und ob dafür möglicherweise die „Streaming-Ausnahme“ greift.
Zur „öffentlichen Wiedergabe“ erläutert er die hohe Bedeutung des Urheberrechtsschutzes, stellt seine bisherige Rechtsprechung dar, die dem Gericht einigen Spielraum bei der Bewertung lässt – und damit eine gewisse Unsicherheit für die Betroffenen. Der EuGH betont (erneut), dass das Verlinken von urheberrechtlichem Content erlaubt ist, wenn er mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers online gestellt worden ist und ohne Weiteres für alle Internetnutzer zugänglich ist.
Ist der Content ohne Zustimmung des Berechtigten online gestellt worden, wird es gefährlich: Nach der EuGH-Rechtsprechung ist das unzulässig, wenn der Linksetzer wissen musste, was er da tat. Wenn also für ihn erkennbar war, dass er Zugang zu einem rechtswidrig online gestellten Werk verschafft, z. B. auch, indem beschränkende Maßnahmen umgangen werden. Das gilt erst recht, wenn er das nicht nur wissen musste, sondern wirklich wusste.
Das Gericht wiederholt auch seine Auffassung, dass derjenige, der mit „Gewinnerzielungsabsicht“ verlinke, mehr tun müsse, um sich zu vergewissern, dass der verlinkte Content legal sei. Damit spricht beim Onlinejournalismus oft eine „Vermutung“ dafür, dass das Medium/der Onlinejournalist wusste, dass der Content rechtswidrig online gestellt wurde. Diese Vermutung ist „widerleglich“ (siehe dazu den Beitrag zum „Playboy-Urteil“).
Zur „Streaming-Ausnahme“ bekräftigt der EuGH deren Ausnahmecharakter. Sie dürfe nicht großzügig angewendet werden. Damit sie greift, müssen alle fünf Voraussetzungen, die die Richtlinie anführt, und eine weitere, die die Richtlinie an anderer Stelle vorgibt, gemeinsam vorliegen.
Gerade für „interessanten“ Content greift diese Ausnahme meist nicht. Die genannte weitere Voraussetzung ist nämlich, dass die Ausnahme „nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden darf, in denen die normale Verwertung des Werks (…) nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden“. Da u. a. die normale Verwertung des urheberrechtlichen Contents beeinträchtigt und die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber ungebührlich verletzt werden, griff die Ausnahme im zu entscheidenden Fall nicht. Das wird auch in vielen anderen Fällen gelten, und zwar gerade für „interessanten“ Content.
Wenn diese „Hürde“ genommen wird, ist eine Handlung dann zulässig, wenn sie vorübergehend und „flüchtig oder begleitend“ ist, „einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens“ darstellt, keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat und alleiniger Zweck eine „Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines geschützten Werks oder eines Schutzobjekts zu ermöglichen“ ist.
Fazit
Journalisten sollten mit fremdem urheberrechtlichen Content sehr sorgfältig umgehen. Für Links hat das der EuGH schon einmal deutlich gemacht, hier nochmals bekräftigt, für Streaming hat er jetzt die Rechtslage verdeutlicht.
§ 44a UrhG, der die europarechtliche „Streaming-Ausnahme“ im deutschen Recht regelt, erlaubt zwar bestimmte Vervielfältigungen, das bedeutet aber nicht, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Weiteres „gestreamt“ werden dürfen. Selbstverständlich ist es nicht erlaubt, fremden geschützten Content ohne Erlaubnis von der eigenen Seite aus zu „streamen“. Darüber hinaus ist nun geklärt, dass auch das Verlinken einer „Streaming-Quelle“, also einer anderen Website, von der aus „gestreamt“ wird, oft nicht erlaubt ist. Der letztere Fall ist vielen – auch Onlinejournalisten – nicht bewusst. Auch der Onlinejournalismus muss das bei der Nutzung fremden Contents beachten. Wie bereits erläutert, sollte jeder Hinweis auf eine (angebliche) Urheberrechtsverletzung ernst genommen werden. Natürlich sollte auch kein Link ohne sorgfältige Prüfung gesetzt werden.
Übrigens drohen gesteigerte Gefahren: nicht nur droht dem Medium die Rechtsverfolgung durch den Rechteinhaber, sondern eventuell können ihn Abrufer des Angebots auch noch in Regress nehmen. Diese Abrufer könnten nämlich ihrerseits vom Rechteinhaber in Anspruch genommen werden und die dadurch ihnen entstehenden Kosten und Aufwände erstattet verlangen, was im Einzelfall durchaus berechtigt sein kann.
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